Orientierung durch Orthodoxe Dogmatische Erläuterung

Zeugen Jehovas

Kapitel 16

INHALTSANGABE

Kapitel 18

AUF DER SUCHE

NACH DER WAHRHEIT

 

Ein Buch über die Zeugen Jehovas

von Nickolas Mawromagulos

 

 

Kapitel 17

In Cassandra

NICOS ERZÄHLUNG

Nach Cassandra sind wir mit dem Bus gefahren. Die zwei Mal, die wir angehalten hatten, um uns auszuruhen, ließen die Wächter uns frei in den umliegenden Wohngebieten herumlaufen. Ich war schon lange nicht mehr so frei gewesen, und habe es wirklich genossen. Alle Gefängniswächter wussten, dass keiner von uns abhauen würde, also saßen sie beruhigt in einer Taverne und aßen. Jedenfalls war diese Route überhaupt nicht mit den kurzen Fortbewegungen die ich mit dem Käfig getätigt hatte, als ich zu den Militärgefängnissen von Awlona und zu den Gerichten ging zu vergleichen.

Obwohl Cassandra weit von meinem Zuhause entfernt war, wollte ich dorthin, denn dort war ich nicht in Gefahr. Im Falle eines Krieges würden wir alle zur Wehrpflicht einberufen werden, wenn wir in Militärgefängnissen wären. Dies bedeutete den sicheren Tod für jeden, der sich im Kriegsfall nicht fügte. Deshalb haben wir, während wir in Awlona waren, die Nachrichten aufmerksam verfolgt und waren besorgt, wenn wir von einer Krise in den Beziehungen unseres Landes zur Türkei hörten.       Aber in Cassandra war es anders. Keiner von uns war in Gefahr.

Mein erster Eindruck beim Anblick der schäbigen Gebäude von Cassandra war entmutigend. Im Vergleich dazu waren die Gefängnisse von Awlona ein Hotel. Das einzig Angenehme war die Landschaft, soweit das Auge reichte.

Der Ort, an den sie mich brachten, hieß „Xenophon“, und er hatte vier Zellen. Es ist lustig, aber in den letzten vier Monaten meiner Haftzeit, die ich dort verbrachte, schaffte ich es nicht mir die Nummer meiner Zelle zu merken.

Jede Zelle hatte etwa 20 „Betten“ (wenn man diese Konstruktionen so nennen konnte), die voll mit Flöhen waren. Was das Essen angeht, so war es fast immer schrecklich und wenig. Also mussten wir hin und wieder bei einem Lebensmittelhändler einkaufen, der dort vorbeikam. Aber auch die Arbeit war mehr und mühsamer als in Awlona. Es war Landarbeit und dauerte vier Stunden, etwa viermal so lang wie in Awlona.

Die Besuche aus Attiki fanden jeden Monat statt, also kamen auch meine Angehörigen. Diese Besuche waren besser als die in Awlona, weil sie länger dauerten und wir nicht so oft kontrolliert wurden. Eine letzte schöne Sache war, dass wir dort unsere Freunde wieder treffen, die wir schon lange nicht mehr gesehen hatten, da sie mit früheren Versetzungen nach Cassandra gefahren waren.

Und dort gab es ebenfalls  eine vollständig organisierte Gemeinde, mit „Ältesten“ und einem Versammlungssaal, und es kam oft eine Amtierende Person unserer Religion von außen, um Vorträge für uns zu halten, es gab sogar einen Gerichtssaal. Dort verhielten sich auch die Ungezogensten gut, weil es einen strengen Ältestenrat gab. Das heißt aber nicht, dass es keine Abweichungen gab!

Ein Vorfall, an den ich mich erinnere, hatte mit jemandem neben mir zu tun, mit dem ich sehr gut befreundet war. Er war ein guter Junge, dem es aber  gefiel  die Zellregeln auch dann einzuhalten, wenn es keinen Grund dazu gab. Zellregeln, waren einige Vereinbarungen, die wir untereinander getroffen hatten, um uns  zum Beispiel, über die allgemeinen Ruhestunden, wann das Licht ausgeschaltet werden würde, oder in welcher Reihenfolge jeder die Musik auflegen würde, die er mochte, und so weiter nicht zu streiten.

Diese Taktik meines Freundes erzeugte  bei einigen in der Zelle eine intensive Feindseligkeit. Also machten sie sich daran, ihm das Leben schwer zu machen. Sie liefen mit Holzschuhen auf dem hohlen Boden herum, wenn er schlief, hinterließen sie  ihm beleidigende Zetelchen und waren gegen alles, was er wollte.

Bald entstand eine explosive Situation in der Zelle, und die Gruppe der Dissidenten warf ihm bei dem „Ältestenrat“ alles Mögliche vor. Er kam verzweifelt zu mir und sagte:

-   Sie sind viele! Der „Ältestenrat“ wird mich nicht anhören! Ich werde auch alles sagen was ich kann, über das , was sie mir antun!

-   Wenn du meinen Rat möchtest, tu das was ich dir sage, und du wirst gewinnen. Ich sagte zu ihm. … Wenn der „Ältestenrat“ kommt, beschuldige sie überhaupt nicht, entschuldige dich und sag, dass alles deine Schuld ist, auch wenn es nicht so ist. Nutze das Beispiel von Jesus Christus: „Besieg das Böse mit dem Guten“.

Obwohl er anfangs nicht einverstanden war, hatte er keine andere Wahl. Als der „Ältestenrat“ kam, bat mein Freund darum am Ende zu sprechen. Seine Gegner begannen daraufhin, ihm tausend Dinge vorzuwerfen, während er ihnen geduldig zuhörte. Und am Ende ergriff er das Wort.

-   Ich bitte alle um Entschuldigung! Ich werde versuchen, von nun an besser zu sein. Es ist alles meine Schuld!

Stille machte sich in der Zelle breit. Dies war die unerwartetste Antwort für sie alle. Dann wurde einer seiner Ankläger, derjenige, der sein Hauptankläger war, rot wie eine Tomate, und begann zitternd zu schreien:

-   Nun, und was soll ich jetzt dazu sagen?! Und schrie mit unverständlichen Worten weiter.

-   Okay, ich habe verstanden, wer die Schuld trägt! Sagte der „Älteste“, und wandte sich an die Ankläger. … Sorgt dafür, dass ihr nicht wieder Probleme verursacht, sonst gibt es Ärger! Im nächsten Augenblick ging er weg, und ließ alle in der Zelle fassungslos zurück.

Dieser „Älteste“ war einer der besten Menschen, die ich je in meinem Leben kennen gelernt habe. Kein anderer dort drin brachte die Opfer, die er für die anderen gebracht hat. Er hat bereitwillig Löhne verloren, damit andere eher entlassen wurden, während für ihn jeder verlorene Lohn einen weiteren Tag im Gefängnis bedeutete. Wir alle liebten und respektierten ihn.

Es gab eine Reglung, bei der jeder der wollte „unter gewissen Bedingungen“ früher als normal entlassen werden konnte, aber er musste die Tage gut zählen, um nicht all zu früh entlassen zu werden, denn dann würde er wieder einberufen werden und würde wieder ins Gefängnis kommen, wenn er den Dienst erneut verweigerte. Dies war mit den sogenannten 12-40 geschehen die begnadigt wurden, aber weil sie dadurch die gesetzlich vorgeschriebenen Tage nicht vollendet hatten, wurden sie zurückgerufen und wenn sie den Dienst wieder verweigerten, wurden sie erneut eingesperrt, so dass sie mehr Zeit als alle anderen im Gefängnis verbrachten.

In Cassandra war ich für die Tische verantwortlich, und meine drei Löhne zählten für zwei. Ich hatte damit gerechnet, dass ich so ein paar Tage später entlassen werden würde, aber so konnte ich die harte Arbeit auf den Feldern umgehen. Als der Entlassungsbescheid auf meinen Antrag auf „bedingte Entlassung“ eintraf, blieben mir also nur noch ein paar Tage Zeit, um die gesetzlich vorgeschriebenen Dinge zu erledigen. Ich lief also Gefahr, vorzeitig rausgeschmissen zu werden, so dass mir dasselbe passieren konnte wie den 12- 40. Aber zum Glück ließen sie mich noch ein wenig länger im Gefängnis bleiben, unter der Bedingung, dass ich auf den Feldern arbeiten würde, um meinen Lohn früher zu vervollständigen.

Es war Winter, und da ich nicht an die Arbeit im Freien gewöhnt war, wurde ich krank. Die letzten Tage war ich also gezwungen, mit Fiber zu arbeiten, um nicht vorzeitig rausgeworfen zu werden. Schließlich kam der Tag der Entlassung. Aber es war ganz anders als das, was ich so lange erwartet hatte. All diese Monate über, träumte ich von dem Tag, an dem ich wieder frei in der Außenwelt sein würde. Aber als dieser Tag kam, flehte ich die Wache an, mich noch eine Nacht dort schlafen zu lassen. Ich hatte sehr hohes Fieber, und mein Kopf tat höllisch weh. Ich wollte einfach nurnoch schlafen, selbst wenn es im Gefängnis war.

-   Ich habe nicht das Recht, dich hier zu behalten! Du musst gehen! Sagte der Gefängniswächter wiederwillig, also kroch ich traurig bis zu dem Lieferwagen, der mich bis ins Zentrum bringen würde, und von dort  aus nahm mich ein freundlicher Gefängniswächter in seinem Auto mit nach Moudania. Es erschien mir unglaublich, dass ich allein loszog, und ich suchte unbewusst die Straße nach einem Gefängniswächter ab. Von dort aus nahm ich den Bus nach Thessaloniki, aber leider konnte ich auf der Reise nicht schlafen, für den Fall, dass ich die Haltestelle an der ich aussteigen musste verpassen würde. In wenigen Stunden landete ich am Flughafen von Elliniko, wo meine Verlobte auf mich wartete.

Ich hatte ihr nicht gesagt, dass ich krank war , und versuchte gesund auszusehen. Obwohl ich ihre Gesellschaft nach so langer Zeit genoss, konnte ich es kaum erwarten ins Bett zu gehen. Bald ging ich nach Awlona um meine Bewährung zu bekommen. Dort sah ich mit Freude viele alten Freunde. Dort wurde ich von den „Ältesten“ der neuen Reihen empfangen. Vom Bethel aus wurde immer dafür gesorgt, dass es immer einen „Ältesten“ gab, der speziell von dort geschickt wurde, um den Gefangenen direkte Anweisungen zu geben.

Sie gaben mir ein Papier zum Unterschreiben, damit ich entlassen werden konnte. Ich nahm das Papier, um es zu lesen, aber aus irgendeinem Grund wurde mir gesagt:

-   Es ist in Ordnung! Alle unterschreiben das, sonst können sie nicht entlassen werden!

Aber in der Zwischenzeit hatte ich schon die Hälfte gelesen. Während ich es auf den Tisch legte, las ich auch die andere Hälfte. Ich war schockiert. In dem Schreiben wurde ich als „Soldat“ erwähnt, und es war auf so eine Art geschrieben, dass meine Unterschrift bedeuten würde, dass ich diesen Status akzeptiere. Mein Verstand arbeitete blitzschnell.

-   Das war´s also? Fragte ich mich. …Alles war ein Fiasko? Ich sahs anderthalb Jahre im Gefängnis, damit ich jetzt mit meiner Unterschrift akzeptiere, dass ich ein Soldat bin? Ich darf dieses Papier nicht unterschreiben.

Dann gingen mir schnell meine Mutter, meine Verlobte und alle anderen die vor mir unterschrieben hatten durch den Kopf, und ich hielt es für töricht meine Freiheit und meine Pläne wegen einem kleinem Kompromiss zu opfern. Also habe ich es unterschrieben. Ich war nun zwar frei vom Gefängnis, aber nicht von den Schuldgefühlen. Ich erinnerte mich wieder einmal an meinen Kompromiss mit der Militärdecke, und mit Bedauern stellte ich fest, dass die Verantwortlichen der Organisation schon vor mir, als erste dieselben Kompromisse gemacht hatten.

 


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