Ein Gleichnis der Heiligen Schrift, das durch die
Interpretationen der so genannten „Zeugen Jehovas“
bisweilen arg strapaziert worden ist, ist das
Gleichnis des Herrn Jesus Christus vom Stall und den
Schafen, das vom Evangelisten Johannes in seinem
gleichnamigen Evangelium erwähnt wird, in Kapitel
10, Verse 1-16.
·
Der
Grund, weswegen wir uns mit diesem Gleichnis
beschäftigen werden, liegt darin, dass die Wachtturm
- Gesellschaft es benutzt, um zu beweisen, dass es
zwei Klassen von Christen mit unterschiedlicher
Berufung gibt: Eine himmlische und eine irdische,
etwas, was in Widerspruch zum Christlichen
Evangelium liegt.
Im
Folgenden werden wir sehen, dass die Behauptungen
der Wachtturm - Gesellschaft unseriös sind und vor
allem den Unwissenden ein anderes Evangelium
vermitteln, das ein Anderes ist als das, welches
Christus und die Apostel über eine einzige Berufung
gelehrt haben.
( Galater 1, 8-9;
Epheser 4,4).
Die
Fehldeutung des Gleichnisses
Nach
einigen Änderungen in der Deutung dieses
Gleichnisses, lehrt die Wachtturm - Gesellschaft
heutzutage folgendes:
Sie
teilt das Gleichnis in zwei Gleichnisse auf, von
denen sie behauptet, dass sie zwei verschiedene
Dinge betreffen. Das erste Gleichnis spielt sich
angeblich in den Versen 1-6 des Kapitels ab (
Johannes 10), und das zweite in den Versen
7-16.
Das
erste Gleichnis, heißt es, beschreibt den Stall oder
die Hürde des Mosaischen Gesetzes, aus der der Herr
Jesus Christus die ersten Christen als Schafe
hinausgeführt hat. (WT 15‑5‑1984, S. 31). Im
zweiten Gleichnis, behaupten sie, stellt der Stall
die Gemeinde dar, in der sich die Heiligen befinden,
deren Anzahl nach ihrer Ansicht nur 144.000 beträgt.
( „Weltweite Sicherheit
unter dem Fürsten des Friedens“ S. 81).
Außerhalb des Stalls des angeblichen zweiten
Gleichnisses gibt es die „anderen Schafe“, die, nach
der Wachtturm – Gesellschaft, Millionen von
„Christen“ sind mit einer anderen Hoffnung als der
himmlischen, die der Herr und die Apostel hatten.
Im
Folgenden werden wir fernab jeden Zweifels die
Fadenscheinigkeit dieser Deutung aufzeigen, während
wir den wirklichen Sinn des Gleichnisses des Herrn
erklären.
Der
Inhalt des Gleichnisses
Fassen
wir kurz den Inhalt des Gleichnisses vom ersten Vers
an zusammen:
Der
Herr spricht von einem Schafstall, in den
irgendwelche Diebe heimlich einzudringen versuchen.
(Vers 1). Der Hirte dieses Stalls aber kommt durch
die Tür hinein.
(Vers 2).
Den
Hirten lässt der Türwächter eintreten, und dieser
ruft die Schafe, die ihm gehören, bei ihrem Namen,
und jene hören seine Stimme und er führt sie aus dem
Stall hinaus.
(Vers 3).
Es scheint, dass sich in diesem Stall auch Schafe
anderer Hirten befinden, weil es dort heißt, „er
ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen
und führt sie hinaus.“
Dass der Hirte sie hinausführt, bedeutet, dass er
sie aus dem Stall herausbringt. Tatsächlich hat der
Herr Jesus Christus mit den Israeliten, die Christen
wurden, seine Schafe aus dem mosaischen Gesetz
herausgeführt. Nach Galater, 4, 4-5 wurde der Herr
Mensch, „damit er die freikaufe, die unter dem
Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft
erlangen.“
Wenn er seine Schafe hinausführt, folgen diese ihm,
weil sie seine Stimme kennen,
(Vers 3),
und sie folgen keinem Fremden.
(Vers
4). „Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus;
aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er
ihnen gesagt hatte.“
(Vers
6).
Hier
scheint, dass die Zuhörer des Herrn die Bedeutung
seines Gleichnisses nicht verstanden. „Weiter sagte
Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin
die Tür zu den Schafen.“ Da sie nicht verstehen
konnten, erzählte ihnen Jesus „also wieder“ ( gr.
„ουν
πάλιν“)
DAS GLEICHE GLEICHNIS mit anderen Worten, damit sie dieses verstehen
können!
Wenn er ihnen daraufhin ein anderes Gleichnis
erzählt hätte, wie es die Wachtturm - Gesellschaft
behauptet, hätten sie nicht nur gar nichts
verstanden, er hätte sie auch noch vollständig
verwirrt!
Der
Vers 7 ist aber eindeutig. Dort steht, „er sagte
also wieder“ ( gr.
„ουν
πάλιν“)
. Das „also“ hat eine erläuternde Aufgabe und
bedeutet, dass das Folgende eine Erklärung des
Vorigen ist, und nicht ein anderes Gleichnis! Die
gleiche Bedeutung hat auch das
„wieder“.
Jesus hat dasselbe Gleichnis
wiederholt!
Er hat kein neues Gleichnis erzählt, um die Lehren
der Wachtturm - Gesellschaft zu stützen!
Von
Vers
7 an,
haben
wir also eine Analyse desselben Gleichnisses, und
nicht ein neues mit anderen Bedeutungen. Das erweist
sich auch aus dem Folgenden:
Zeit
und Aufgabe der Herde
In
Vers 8
steht folgendes: „Alle, die vor mir kamen, sind
Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf
sie gehört.“
Wenn es
sich hier bei dem Stall um die die Gemeinde handeln
würde, wie die Wachtturm - Gesellschaft behauptet,
wie konnten VOR Christus Diebe gekommen sein?
Da doch
die Christliche Gemeinde
von ihm
selbst zu Pfingsten im Jahre 33
nach Christus gegründet
worden
ist!
Es ist
unverkennbar, dass
der Stall nicht die Christliche Gemeinde darstellt,
sondern die Jüdische, wie auch im ersten Teil
des Gleichnisses
vor dem Vers 6.
Zu der
gleichen Sache äußert sich die Heilige Schrift auch
in der
Apostelgeschichte 5,
36-37.
Dort
werden ein gewisser Theudas und ein Judas der
Galiläer erwähnt, die versucht hatten, als Messias
aufzutreten. Sie haben jedoch nichts erreicht, weil
keiner von ihnen der wahre Hirte gewesen ist.
In Vers
9
erkennen wir die Grundaufgabe, die ein Hirte für die
Herde erfüllt. Die Schafe benötigen von ihm zwei
Dinge:
1.
Obdach
und
2.
Nahrung. So erklärt der Herr in diesem Vers, dass
er die Tür ist. Wer unter sein Obdach und
seinen Schutz kommt, wird gerettet werden, „er
wird ein- und ausgehen und Weide finden.“ Die Schafe
werden somit unter sein Obdach gehen und Nahrung
finden.
„Nahrung“ bedeutet hier die geistige Nahrung der
Gemeinde.
( 1. Korinther 10, 3).
Der
Vers meint nicht, dass die Schafe in den Stall ein-
und rausgehen werden! Es spricht über diese zwei
Aufgaben des Hirten in Bezug auf seine Herde. Wie
wir in den
Versen 3 und 4
gesehen
haben verlassen
die Schafe das Mosaische Gesetz und
kommen unter den Schutz des Hirten Jesus in
seine Gemeinde. Das ist auch in den Versen
Johannes 14, 6
und
Epheser 2, 18
zu
erkennen: „Niemand
kommt zum Vater außer durch mich.“ „Durch ihn (als Tür) haben wir beide (Juden und
Heiden) in dem einen Geist Zugang zum Vater.“
Die
Herkunft
der
Schafe
Das
gleiche ist auch in Vers
16
zu
erkennen, in welchem Jesus sagt: ΄΄ Ich habe noch
andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch
sie muss ich führen und sie werden auf meine Stimme
hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen
Hirten. ΄΄
Der
Vers sagt aus, dass er außer diesen Schafen Israels,
über welche er spricht, noch andere Schafe hat, die
nicht
aus
diesem Stall sind, die also nicht aus dem
Stall des Mosaischen Gesetzes kommen.
Der
Begriff „aus“
( gr.΄΄εκ΄΄)
zeigt die
HERKUNFT
an.
Die Schafe der ersten Gruppe stammen „aus“
dem Mosaischen Gesetz und
waren
in
diesem Stall,
sind
es
jetzt aber
nicht mehr.
Sie
standen unter dem Mosaischen Gesetz, aber jetzt hat
sie der Herr
herausgeführt. Es gibt jedoch
auch andere Schafe, die nicht aus dem Mosaischen
Gesetz kommen ( die Heiden), die sich einmal
mit den Israeliten vereinen würden, die auch
in der Gemeinde des Herren versammelt werden
und eine Herde unter einem Hirten bilden würden.
„Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden
Teile (Juden und Heiden) und riss durch sein Sterben
die trennende Wand der Feindschaft nieder. Er hob
das Gesetz samt seinen Geboten und Forderungen auf,
um die zwei in seiner Person zu dem einen neuen
Menschen zu machen. Er stiftete Frieden und
versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in
einem einzigen Leib.“
(Epheser
2,
14-16).
Es
scheint, als ob wir in diesem Vers dem Gleichnis mit
anderen Worten begegnen würden! Er spricht über
die trennende Wand ( die Hürde) des Gesetzes,
die niedergerissen würde,
um beide Gruppen in einer Herde zu vereinen: Heiden
und Juden. So wurden sie zu
einer
Herde
mit
einem
Hirten.
Um ihre fremdsprachigen Leser in die Irre zu führen,
hat die Wachtturm - Gesellschaft nicht gezögert,
den Bibeltext in Vers
Johannes 10, 16
zu manipulieren. In ihrer eigenen Übersetzung hat
sie nach ihrer Gewohnheit den Ausdruck „aus“ ( griech.
=΄΄εκ΄΄)
vertauscht. Anstatt auszusagen, dass die Schafe
nicht „aus“
diesem Stall kommen, schreibt sie, dass sie nicht „in“
diesem Stall sind. Sie vermittelt somit den Lesern
dieses misshandelten Verses den Eindruck, dass Jesus
Christus die Schafe nicht aus dem Stall
herausgeführt hat. Dass sie sich innerhalb des
Stalls befinden und die anderen Schafe nicht. Sie
versucht damit ihre Lehre zu bestätigen, dass die
Schafe im Stall die Gemeinde Christi bilden, und die
Schafe außerhalb eine andere Klasse darstellen, die
sich außerhalb (!!!)
der Gemeinde befindet. Diese andere Klasse hat
vermeintlich nicht die himmlische Hoffnung, sondern
eine andere. In ihrer griechischen Übersetzung hat
sie das nicht gewagt, und übersetzt dort richtig.
(*)
Die
Interpretation der Wachtturm - Gesellschaft erweist
sich jedoch als willkürlich. Wenn der Stall die
Gemeinde darstellen würde, in der sich nach der
Wachtturmlehre die 144.000 Gesalbten befinden und
somit auch dort verbleiben, würde man im Grundtext
nicht die Präposition ΄΄εκ΄΄
( =“aus“) erwarten, sondern ΄΄εν΄΄ ( =“in“). Also: „Ich habe noch andere
Schafe, die nicht „in“
diesem Stall sind; auch sie muss ich führen.“
Doch um eine Herde unter einem Hirten zu werden,
müssten die anderen Schafe, die außerhalb stehen, in
den Stall hineingebracht werden. Davon ist aber im
Text nirgendwo die Rede.
Die
Prophezeiung Hesekiels
Dieses Gleichnis Jesu steht in direkter Verbindung
mit der Prophezeiung in
Hesekiel,
Kapitel
34.
Es handelt sich um eine Prophezeiung, die den Hirten
Israels gegeben wurde, und sie warnte, dass der
wahre Hirte der Israeliten kommen würde, um sie von
der Unterdrückung und der Verantwortungslosigkeit
ihrer religiösen Führer zu befreien. Dieser Hirte
würde seine eigenen Schafe unter denen Israels
auswählen und sie befreien, indem er ihnen Zuflucht
und Nahrung gibt:
Hesekiel 34:
(2)...
sprich
als Prophet gegen die Hirten Israels...(8) weil
meine Hirten … nur sich selbst und nicht meine Herde
weideten,
...(10)
Nun
gehe ich gegen die Hirten vor und fordere meine
Schafe von ihnen zurück. Ich setze sie ab, sie
sollen nicht mehr die Hirten meiner Herde sein....(11)
Denn so spricht Gott, der Herr:
Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich
selber um sie kümmern.
(12)
Wie ein
Hirt sich um die Tiere seiner Herde kümmert an dem
Tag, an dem er mitten unter den Schafen ist, die
sich verirrt haben, so kümmere ich mich um meine
Schafe und hole sie zurück von all den Orten, wohin
sie sich am dunklen, düsteren Tag zerstreut haben.
(13) Ich führe sie aus den
Völkern heraus, ich hole sie aus den Ländern
zusammen...(14)
Auf gute Weide will ich sie führen, im Bergland
Israels werden ihre Weideplätze sein. Dort sollen
sie auf guten Weideplätzen lagern, auf den Bergen
Israels sollen sie fette Weide finden.
(17)
…ich
sorge für Recht zwischen Schafen und Schafen,...(23)
Ich setze für sie einen einzigen
Hirten ein, der sie auf die Weide führt, meinen
Knecht David...(25)
Ich schließe mit ihnen einen
Friedensbund...(28)
Sie werden in Sicherheit wohnen….΄΄
In diesen Versen sind deutlich die Parallelen zum
Gleichnis Jesu zu erkennen. Hier sieht man, dass der
Herr die Schafe aus der Unterdrückung der Hirten des
Gesetzes hinausführt, um sie in seine Gemeinde zu
bringen, wo sie Nahrung und Geborgenheit finden
werden.
So ist auch mit Hilfe dieser Schriftstelle zu
erkennen, dass der Stall im Gleichnis das Mosaische
Gesetz darstellt, und nicht die Gemeinde. Die
Vorstellung von zwei verschiedenen Berufungen
entbehrt jeglicher Grundlage.
N. M.
(*) Dieser Artikel ist aus dem Griechischen
übersetzt worden. Vor der Herausgabe der NWT in
Griechenland wurde dieser Vers in der
griechischsprachigen Wachtturm-Literatur wie oben
dargestellt wiedergegeben. Der Vortrag, auf dem der
Artikel beruht, ist in dieser Zeit gehalten worden.
Die aktuelle deutsche NWÜ gibt diesen Vers korrekt
wieder.
N. M.