Orientierung durch Orthodoxe Dogmatische Erläuterung Liturgische

 

 
Pfingsten, Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes

 

Vater Johannes Nothhaas

 

 

Am funfeigsten Tage nach der Erscheinung des auferstandenen Herrn am Ostermorgen und am zehnten Tage nach seiner Himmelfahrt sind die Apostel mit der Gemeinde versammelt. Unter Sturmwind und Feuerflammen geschieht das Herabsteigen des Heiligen Geistes auf die Versammelten, und sie sind sogleich von solcher Freude und geistlicher Kraft erfüllt, dass sie in Jerusalem freimütig das Evangelium von Jesus Christus verkündigen können. Es geschieht erneut ein Wunder. Die zum Laubhüttenfest in die Stadt gekommenen Festpilger aus aller Herren Länder verstehen diese Predigt, ein jeder in seiner Sprache. - Die Kirche deutet dieses Ereignis als das neutestamentliche Gegenbild zur Sprachenverwirrung beim Turmbau zu Babylon (Gen 11 ):

Als er herabfuhr, die Sprachen zu verwirren,

schied die Völker der Höchste;

als er des Feuers Zungen verteilte,

berief er alle zur Einheit:

Einstimmig verherrlichen wir

den allheiligen Geist.

( Kondakion des Pfingstfestes ) Der Geist will die nach dem Fall zertrennte Völ­kerwelt wieder zu einem Volk Gottes zusam­menführen.

Für viele Christen ist er dennoch ein Problem, weil er als Person so schwer vorstellbar ist -Und genügt es nicht, an Gött Vater und an seinen Sohn zu glauben? Wozu ist der Geist noch nötig? - Man verkleinert ihn zu einer Art innerer Aufwallung der Frömmigkeit. Vielfach wird er nicht mehr als Person verstanden und damit theologisch bedeutungslos. - Pfingsten wird zum lieblichen Frühlingsfest der aufblühenden Natur. Gott wird zum zweieinigen Gott.

Wer also ist der Heilige Geist? In seinen Abschiedsreden sagt der Herr zu den Apo-steln:„Wenn jener, der Geist der Wahrheit, kom-men wird, der wird euch leiten in alle Wahrheit" ( Joh 16,13 ). Das heißt der Geist fuhrt uns in die Fülle der Offenbarung des drei-einen Gottes. Er führt uns hinein in die aufregende Geschichte des langsamen Näherkommens Gottes bis zu seinem Einzug in die Herzen der Menschen.

Zuerst hat sich Gott, der Vater, in der Zeit des Alten Bundes durch die Propheten nur dem einen Volk Israel offenbart. Bei dieser Begegnung bleibt er jedoch immer unsichtbar. Selbst Moses, als er ihn zu schauen begehrt, muss ins Dunkel schauen, als Gott hinter ihm vorübergeht. Die Gotteserscheinun-gen im Alten Bund sind stets verbunden mit einem verzehrenden Erschrecken der Menschen vor der Heiligkeit Gottes.

Der nächste Schritt Gottes auf die Menschheit zu geschieht in der Offenbarung seines Sohnes, als dieser in die Geschichte eintritt. Er geht ein in den Leib einer Frau, wird wie ein Mensch geboren. Sichtbar und anfassbar tritt er unter die Menschen und weilt 33 Jahre unter ihnen. Doch seine Offen­barung geht weit über das Erscheinen unter Men­schen hinaus. Mit seinem Tode dringt er ein in das Reich des Todes. Dieser vermag den Gottessohn nicht zu halten, und so dürfen seine Jünger ihn er­leben als den Erstling, der den Tod überwunden hat uhd wieder unter die Lebenden zurückgekehrt ist. Menscheri Schauen an ihrii zuih ersteh Mal den unsterblichen Leib der Ewigkeit. Vierzig Tage larig erscheint Christus seihen Jüngern. Mit der Auffahrt in die Himmel und seinem Sitzen zur Rechten Gottes ist der verklärte, menschliche Leib in die unmittelbare Nähe Gottes versetzt wordenj Wie nahe ist Gott den Menschen schon gekoriimeri und ebenso die Menschen Gott!

Schließlich kommt Gött in einem dritten Schritt den Menschen noch näher. In der Ausgießung des Heiligen Geistes senkt er sich unter Bräuseri des Sturmes und Unter Feuerzungen auf die versammelte Gemeinde der Jünger herab und geht ein in die Herzen der Menschen. Sie hätten verbrennen müssen bei der Dürre ihrer Sündhaftigkeit   unter   dem   Feuerwind   der Heiligkeit Gottes!   Doch Gott ist barmherzig. Hat  er  schon  den Dornbusch  im  Alten Testament, als er sich Moses   offen-barte, vef schont, und hat er beim Eingehen in den Leib Jurigfrau kein Gericht gehalten, so geschieht das Gleiche auch den Jüngern nicht. In seinör Allgüte nimmt Gott Wohnung in den Menschen trotz ihrer Sündhaftigkeit. „Wisset ihr nicht, dass eure Leiber ein Tempel des Heiligen Geistes sind?", schreibt der Apostel Paulus an die Korinthen Der Einzug des Hei­ligen Geisites an jenem Pfingstfest in die Her­zen1 der Menschen  der damals Versammelten hat sich auch in unserem Leben ereignet Es geschah bei einerti jeden von uns im Mysterium der heiligen Taufe und der Myrönsalbung. So begleitet unä Gött von jenem tage an jeden weiteren Tag durch unser Leben, bis wir am Jüngsten Tag wieder vor seinem Throne steh'n. Zum Gericht und zur Aufnahme in seine Herr­lichkeit.

Aber die Güte Gottes ist noch größer, noch weiter. Hat er sich bisher nur dem einen auser-wählten Volk genähert, so will er sich jetzt al­len Völkern offenbaren. Der herabgestiegene Geist will bei allen Völkern und Menschen Ein­zug halten. Er überbrückt die Kluft zwischen Himmel und Erde und verbindet uns mit dem zur Rechten Gottes thronenden Christus. Der Geist ist es, der uns in der Taufe die Teilnahme am Kreuzestod Christi und seiner Auferstehung ermöglicht und in der Myronsalbung versiegelt. Er ist es, der in der Eucharistie in dem besonde­ren Gebet zu seiner Herabrufung den zur Rech­ten Gottes thronenden Christus in den gesegne­ten Gaben von Brot und Wein vergegenwärtigt.

Durch Taufe ist uns also der Geist gegeben wor­den. Wenn wir uns durch die Sünde von Gott entfernen, auch in dieser Situation, verlässt er uns nicht. Er ist es, der uns durch den Priester und durch unser Gewissen zum Tisch des Herrn ruft, in den eucharistischen Gaben den Herrn zu empfangen und wieder die Nähe Gottes zurück­ruft. Er ist es, der uns so mit ihm zu einem geist­lichen Leib, der Kirche verbindet. Denn die Ge­genwart Christi im Mysterium der Eucharistie geschieht nicht nur durch die Einsetzungsworte, sondern auch durch  das Wirken des Heiligen Geistes. Zum Vollzug der Mysterien ist die dritte Person des dreieinen Gottes von gleicher unerlässlicher Bedeutung wie der Gottessohn.

In der Vesper des Pfingstfestes  versammelt sich die Gemeinde, um die Kniebeugegebete zu halten. Zum ersten Mal nach Ostern knieen die Gläubigen wieder. Dieser Brauch kommt aus den frühesten Zeiten der orientalischen Kirchen. In drei feierli­chen Gebeten erbittet die Gemeinde die Gabe des Heiligen Geistes, den Nachlass für die Sünden für die Lebenden und die Toten: Gewähre Verzeihung denen, die auf dich hoffen!

Vergib ihnen und uns die Sünden!

Reinige uns durch die Kraft des Heiligen Geistes!

Vernichte die gegen uns gerichteten Anfeindun­gen des Widersachers!

Durch den eucharistisch gegenwärtigen Herrn lassen wir uns senden und preisen ihn am hohen Fest der Ausgießung des Geistes: Gesegnet bist du Christus, unser Gott, der du zu Allweisen die Fischer gemacht hast, indem du ihnen sandtest den Heiligen Geist, und durch sie den Erdkreis eingefangen hast, Menschenliebender, Ehre dir! ( Tropar des Hochfestes )

 

Artikel erstellt am: 20-6-2009.

Letzte Überarbeitung am: 20-6-2009.

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