Orientierung durch Orthodoxe Dogmatische Erläuterung Liturgische

 

 

Die Verklärung Jesu Christi

Vater Johannes Nothhaas

 

 

Die Orthodoxe Kirche sieht in der Verklärung des Herrn das Vorabbild der Vergöttlichung des Menschen.

Die Offenbarung Gottes auf dem Sinai vor Moses und die des Gottessohnes auf dem Berg Tabor in seiner Lichterscheinung zeigen, wie Gott in seinem Heilshandeln den Menschen immer näher kommt. Im Vergleich der beiden Gotteserscheinungen wird dies deutlich : Auf dem Sinai:

-  erscheint Gott verborgen in der Wolke,

-  verbreitet seine Erscheinung Schrecken (Donnern und Blitzen auf dem Berg),

-  offenbart Gott das Gesetz (2 Tafeln ).

 

Ganz anders die Gotteserscheinung auf dem Berg Tabor:

-  die Erscheinung des Herrn geschieht ohne Furcht bei den Jüngern (Petrus möchte Hütten bauen ),

-  der Herr erscheint im überirdischen Licht und wird von den Jüngern geschaut,

-  mit Christus erscheinen Moses und Elias. 

Was sagen uns diese Unterschiede: Bei der Gotteserscheinung auf dem Sinai ist Gott der in der Wolke Verborgene, der zu Moses sagt. „Mein Angesicht kannst du nicht schauen" (2. Mose 33,20 ). - Als Gott zu Moses auf den Sinai herabfährt, geschieht dies unter Donnern, Blitzen, Rauch und Posau­nenschall, so dass das Volk von Schrecken erfasst wurde. - Der Inhalt der Offenbarung Gottes auf dem Sinai war die Übergabe des Gesetzes an Moses. Das Gesetz ist es, das den Menschen ihre Gottesferne anzeigt und sie mit Schrecken darüber erfüllen soll. Das Gesetz ist zugleich die bewahrende Gnade Gottes bis ins tausendste Glied der Nachfahren. Genauso aber ist es Anklage, „vor der niemand unschuldig ist", das „ die Sünde der Väter heimsucht auf Kinder und Kindeskinder bis ins dritte und vierte Glied (2. Mose 34,7). Die furchterre-gende Gotteserscheinung auf dem Sinai ent­spricht dem Charakter des Gesetzes.

Die Erscheinung des Herrn im überirdischen Licht auf dem Berg Tabor geschieht dagegen in großer Ruhe. Von den drei Jüngern heißt es sogar beim Evangelisten Lukas, dass sie „voll Schlafs waren" (Lk 9,32). Da ist nichts von Furcht zu merken, sondern im Gegenteil fröh­liche Vertrautheit mit dem verklärten Herrn erfüllt sie. Petrus ist von dieser Erscheinung so ergriffen, dass er diesem Augenblick in seiner Schönheit Dauer verleihen möchte und anbietet, Hütten zu bauen. - Während Gott auf dem Sinai stets in der Wolke verborgen erscheint, können die Jünger auf dem Tabor ihren Herrn in der Glorie des himmlischen Lichtes anschauen. Gott ist nicht mehr der Verborgene, sondern tritt jetzt vor menschliche Augen. - In dieser Lichterscheinung ist - das ist der dritte Unter­schied zur Offenbarung Gottes auf dem Sinai -Christus nicht allein, sondern die Propheten Moses und Elias umgeben ihn.

Während dieses Augenblicks seines irdischen Lebens sind die Propheten der Vergangenheit mit den drei Jüngern der Gegenwart im Gespräch mit Christus miteinander vereint. Die Zeit steht still, und Himmel und Erde berühren sich. Gott tritt aus seiner alttestamentlichen Verborgenheit hervor in der strahlenden Lichterscheinung seines Sohnes. In diese hinein sind die beiden Propheten des Alten Bundes aufgenommen. Für einen Augenblick wird sichtbar, dass die menschliche Natur in die Gegenwart Gottes wieder aufgenommen ist.

In dem Verklärungsgeschehen leuchtet punktuell auf, was die Bestimmung unsrer menschlichen Existenz ist. Christus ist in die Welt ge­kommen, um die aus dem Paradies verbannte Menschheit wieder in die Gegenwart Gottes zurückzuholen. Die Verklärung des Menschen, diese Umformung unsrer Natur in die vergöttlichte Existenz - genau dies will das griechische Wort Metamorphosis sagen - ist nicht allein das Resultat eines Denkvorgangs oder eines Geschehens, das über uns kommt. Verklärung des Menschen geschieht nicht ohne Askese. Diese ist bei Lukas angedeutet in dem Aufstieg auf den Taborberg, den die Jünger mit dem Herrn vollziehen. Jede Gottesbeziehung eines Menschen verlangt nach Vertiefung, wie eine Liebesbeziehung. Vertiefung aber ergibt sich nicht von selbst ohne Opfer und Askese. Sie ist ein Sich-Abtöten gegen den Einfluss der Materie.

Die Vergöttlichung des Menschen kommt gerade in der Verklärung Christi in einer wunderbaren Weise zum Ausdruck. Sie ist ein zentrales Anliegen der orthodoxen Theologie, weil der Mensch nicht nur mit seiner geistlichen, sondern auch seiner leiblichen Existenz in die Begegnung mit Gott hineingezogen wird.

Die Taufe leitet diese Vergöttlichung ein. Die Taufe ist ein Sterben heraus aus der universalen Macht des Todes und eine zweite Geburt zugleich. Der Täufling hat im Taufwasser Anteil am Kreuzestod des Herrn und an der Macht seiner Auferstehung, Im Vollzug des Sakraments kommt dies zum Ausdruck: Das Sterben im rückwärtigen Hinsinken des Täuflings ins Taufbecken wie auf sein Totenbett, die neue Geburt in Aufstehen aus dem Taufwasser wie einer, der sich von seinem Lager erhebt. Diese Symbolik bezeichnet, was in der Taufe geschieht. Sie ist kein leeres, emphatisches Zeichen, sondern enthält ein Geschehen, wie dies die Vergangenheitsformen der Verben im Brief des Apostels Paulus an die Römer deutlich machen (Rm 6,1 - 11).

Auch in der orthodoxen Betrachtung der Eucharistie ist die Vergöttlichung des Menschen ein tragendes Element. So wie Christus in den irdischen Leib einer Frau, der Gottesgebärerin, und in den Leib seiner männlichen Gestalt eingegangen ist, so geht er auch ein in die irdische Materie von Brot und Wein. Dies geschieht mit dem Ziel, auf diese Weise im Mysterium der Eucharistie auch in unseren Leib einzugehen. Durch die Kommunion des Leibes Christi verbindet sich Gott mit uns Menschen in leibhaft-ma­terieller Weise. Die Vereinigung von Gott und Mensch in Christus geschieht analog in gnadenhafter Weise in uns bei der Teilnahme an der eucharistischen Kommunion. Die vorausgenommene paradiesische Gemeinschaft wieder mit Gott leuchtet auf wie in dem Gespräch der Propheten des Alten Bundes und der Jünger mit dem verklärten Christus.

Verklärung Christi und Verklärung der Menschen will die im Sündenfall zerbrochene Gottähnlichkeit des Menschen wiederher stellen. Den Sinn dieses Festes fasst ein Apostichon der Vesper zusammen:

Heute verwandelte Christus auf dem Tabor

Adams verdunkelte Natur,

da er sie mit Licht durchdrang,

vergöttlichte er sie.

   

Artikel erstellt am: 20-6-2009.

Letzte Überarbeitung am: 20-6-2009.

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