Die Stelle, die uns jetzt beschäftigen wird, ist
also Galater 3, 13:
altgriechisch: Χριστός ημάς εξηγόρασεν εκ της
κατάρας του νόμου γενόμενος υπέρ ημών κατάρα·
γέγραπται γαρ· επικατάρατος πας ο κρεμάμενος επί
ξύλου
deutsch (immer Luther 1912):
Christus aber hat uns
erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein
Fluch für uns (denn es steht geschrieben: „Verflucht
ist jedermann, der am Holz hängt!").
Diese Passage wird von manchen dazu verwendet, um zu
behaupten, dass angeblich Gott Sich im wörtlichen
Sinn eines Prozesses des Gebens und Nehmens,
eines Handels, bedient hätte, um die Rettung der
Menschheit auf eine forensische oder
satisfaktorische Art zu erkaufen. Und in der Tat
wird ein "Freikauf" durch eine "Transaktion" auch
auf gewisse Weise angeführt. Eine gründliche
Überprüfung der Stelle offenbart indessen eine ganz
andere Bedeutung als jene, von der fälschlicherweise
ausgegangen wird.
1.) Auf wen bezieht sich die Stelle?
Die Stelle ist eine Fortsetzung der Argumentation
Pauli in den Versen 10-12, in denen er die Weise
erklärt, auf die das Gesetz Ursache des Fluches
wurde, nämlich deshalb, weil alle Israeliten
das Gesetz nicht in allen Punkten wahren
konnten (es war Keinem möglich) und so alle
verflucht waren.
In den Versen 10-12 steht:
Όσοι γαρ εξ έργων νόμου εισίν, υπό κατάραν
εισί· γέγραπται γαρ· επικατάρατος πας ος ουκ εμμένει
εν πάσι τοις γεγραμμένοις εν τω βιβλίω του νόμου του
ποιήσαι αυτά· 11 ότι δε εν νόμω ουδείς δικαιούται
παρά τω Θεώ, δήλον· ότι ο δίκαιος εκ πίστεως ζήσεται.
12 ο δε νόμος ουκ έστιν εκ πίστεως, αλλ' ο ποιήσας
αυτά άνθρωπος ζήσεται εν αυτοίς
Denn die mit des
Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch.
Denn es steht geschrieben: "Verflucht sei jedermann,
der nicht bleibt in alle dem, was geschrieben steht
in dem Buch des Gesetzes, daß er's tue." Daß aber
durchs Gesetz niemand gerecht wird vor Gott, ist
offenbar; denn "der Gerechte wird seines Glaubens
leben." Das Gesetz aber ist nicht des Glaubens;
sondern "der Mensch, der es tut, wird dadurch
leben."
Achtung: Hier wird explizit auf
Israeliten eingegangen, die "unter dem Gesetz"
stehen. Es geht demnach nicht um die Heiden. Über
die Heiden wiederum schreibt Paulus im Römerbrief
2,12:
όσοι γαρ ανόμως ήμαρτον, ανόμως και απολούνται·
και όσοι εν νόμω ήμαρτον, δια νόμου κριθήσονται
Welche ohne
Gesetz gesündigt haben, die werden auch ohne Gesetz
verloren werden; und welche unter dem Gesetz
gesündigt haben, die werden durchs Gesetz verurteilt
werden.
2.) Die Heiden betreffend
Wenn wir also über die "unter dem Gesetz" sprechen,
dann ist es nicht möglich, diese Stelle im
Zusammenhang mit dem erlösenden Opfer Christi
generell auf die Menschheit anzuwenden, die
Heiden also miteinzuschließen. Denn es stand nicht
die gesamte Menschheit unter dem Gesetz, da
Letzteres ausschließlich für die Israeliten
Geltung beanspruchte. Wie kann es aber sein, dass
Christus die Heiden von dem Gesetz freigekauft hat,
wenn diese in keiner Weise und zu keiner
Zeit unter ihm standen?
Das Alte Testament selbst nämlich setzt die Heiden
nur unter vier Anweisungen, und auch nur diejenigen,
die unter Israeliten lebten, gemäß Lev 17, 7-18. Es
handelt sich um die einzigen vier Gebote an
Heiden, die auf israelitischem Gebiet verweilten,
welches die Apostolische Synode sehr schön
zusammenfasst in Apg 15: 20, 28, 29. Dort wird den
Heidenchristen geboten "sich zu enthalten von
Unsauberkeit durch Abgötterei und Hurerei sowie vom
Erstickten und vom Blut".
Und selbst wenn wir die Heiden in Pauli Worte
hineinsetzen wollten, würden wir mithin wiederum
nur diejenigen meinen können, die auf
israelitischem Gebiet lebten, und wiederum befanden
sich doch jene eben nicht "unter dem Fluch
des Gesetzes", denn die erwähnten vier Anweisungen
waren ganz einfach einzuhalten. Sicherlich
hat die Mehrheit der Heiden, die unter Israeliten
lebten, diese Gebote auch leicht umgesetzt, so das
sie nicht "unter dem Fluch des Gesetzes" standen wie
die Israeliten, die immerzu irgendetwas nicht wahren
konnten (niemand konnte das).
3.) Wer ist "ημάς" - "uns"?
Anmerkung des
Übersetzers: Diese Stelle ist im Griechischen auch
deshalb wichtig, weil zwischen "uns" und "euch" sich
nur der erste Buchstabe unterscheidet (ημάς, υμάς)
und sich diese Worte - und jetzt kommt's -
phonetisch überhaupt nicht unterscheiden!
Wenn Paulus schreibt: "Christus hat uns vom Fluch
des Gesetzes freigekauft" (er schreibt "uns" mit η,
nicht mit υ, es ist also eindeutig), dann bezieht er
sich nicht auf die Galater, sondern auf sich selber
und seine Landsleute, die Israeliten, die unter dem
Gesetz gestanden hatten. Denn offensichtlich standen
die Galater nie unter dem Gesetz, außer Einige von
ihnen waren Israeliten.
Da der Vers nun nachgewiesenermaßen nicht von dem
Erlösungsopfer Christi generell ffür die
Sünden der ganzen Welt spricht, sondern
insbesondere von dem "Freikauf" der Israeliten
von dem Fluch des Gesetzes, können wir nun die Art
und Weise betrachten, mit der Christus die
Israeliten von dem Fluch des Gesetzes „freigekauft"
hat, um festzustellen, ob in diesem Fall über einen
merkantilen bzw. forensischen "Handel" oder über
etwas Anderes gesprochen wird.
4.) Wie wurde Er zum ... Fluch?
Es steht nun in Galater 3,13:
Χριστός ημάς εξηγόρασεν εκ της κατάρας του
νόμου γενόμενος υπέρ ημών κατάρα
Christus aber
hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er
ward ein Fluch für uns.
Was bedeutet "ward ein Fluch"? Wandelte sich
Christus etwa in einen Fluch? Denn das heißt diese
Stelle im wortwörtlichen Sinne. Es ist aber
offensichtlich, dass es metaphorisch gemeint ist,
denn sie will uns aufzeigen, wie verflucht das
Kreuzesopfer des Herrn ist, denn "verflucht ist
jedermann, der am Holz hängt!"
Wie das Gesetz sagt (Dt 21, 22-23):
Εάν δε γένηται εν τινι αμαρτία κρίμα θανάτου
και αποθάνη και κρεμάσητε αυτόν επί ξύλου, 23 ου
κοιμηθήσεται το σώμα αυτού επί του ξύλου, αλλά ταφή
θάψετε αυτό εν τη ημέρα εκείνη, ότι κεκατηραμένος
υπό Θεού πας κρεμάμενος επί ξύλου· και ου μη
μιανείτε την γην, ην Κύριος ο Θεός σου δίδωσί σοι εν
κλήρω
Wenn jemand
eine Sünde getan hat, die des Todes würdig ist, und
wird getötet, und man hängt ihn an ein Holz, so soll
sein Leichnam nicht über Nacht an dem Holz bleiben,
sondern du sollst ihn desselben Tages begraben, denn
ein Gehenkter ist verflucht bei Gott, auf daß du
dein Land nicht verunreinigst, das dir der HERR,
dein Gott, gibt zum Erbe.
Gemäß dem Gesetz und der zitierten
Deuteronomiumstelle, ist der am Holz Gehängte
verflucht "Wenn [er] eine Sünde getan hat, die des
Todes würdig ist...". Aber Christus hatte nicht
gesündigt! Wie wurde er demnach zum Fluch? Die
metaphorische Bedeutung ist offensichtlich.
Die Israeliten dachten er wäre verflucht, sie
betrachteten Ihn als verflucht, als am Holz
Gehängten,
als Gottlosen gemäß ihrem Gesetz. Zum Fluch
werden bedeutet, Er würde gleichgestellt werden mit
den verfluchten Gekreuzigten des Gesetzes.
Wenn wir nun eine eindeutig metaphorische
Aussage haben, wie ist es dann möglich, dass manche
den ebenfalls metaphorisch gemeinten Sinn des
"Geschäftes" wörtlich auffassen, wenn das Zitat
sagt, Er "hat uns freigekauft"? Wenn also schon eine
metaphorische Aussage in einer Passage existiert,
wie kann man dann im gleichen Zitat - ja sogar im
gleichen Satz - "freigekauft" wortwörtlich nehmen?
Wie dogmatisiert man Wortwörtlichkeit in einem
offensichtlich metaphorischen Satz?
5.) Wie wurde das Gesetz ungültig?
Das oben Genannte betrachtend, ergibt das Zitat nun
seinen wahren Sinn. Da der ohne Sünde wie ein
Verfluchter gemäß des Gesetzes Gottes starb, setzt
Er das Gesetz außer Kraft, weil er sich das Recht
auf Auferstehung erwirkt. Der einzig Reine
hat das Recht den Tod zu besiegen und aufzuerstehen
(denn er wurde ungerechterweise verurteilt).
Und natürlich mit Ihm alle, die an Ihn glauben
und an Seinem Leib Anteil haben, die sich also
in der Taufe mit Christus kleiden (Gal 3, 27). Das
ist es, was ihnen gesagt wird und ihnen erklärt
wird, dass sie als Mitglieder des Leibes Christi
selber "Christus" sind und Anteil haben an Seinem
Sieg über den Tod. Ein Sieg, der möglich wurde, weil
der Reine ungerechtfertigt als "Verfluchter"
starb.
Paulus erklärt, dass während Keiner es
schaffte, das Gesetz komplett zu wahren, um durch
das Gesetz gerettet zu werden, sondern im Gegenteil
alle zu "Verfluchten" wurden (Gal 3, 10-12),
Christus sogar als Reiner wie ein Verfluchter
starb! Und das Recht auf Auferstehung, Seinen
Sieg über den Tod gibt Er weiter an alle
Gläubigen wie weiter unten in Vers 22 gesagt
wird "Aber die Schrift hat alles beschlossen unter
die Sünde, auf daß die Verheißung käme durch den
Glauben an Jesum Christum, gegeben denen, die da
glauben."
Wenn wir also durch den Glauben an Christus errettet
werden können, wozu brauchen wir dann das Gesetz,
das niemand zu wahren im Stande war, der
unter ihm stand? Ist dieser Glaube nicht der Ausgang
aus dem Fluch des Gesetzes, das dich verflucht, aber
nicht zu erretten vermag? Ist also das Opfer Christi
nicht der "Freikauf“ vom Gesetz, wo doch keiner mehr
das Gesetz wahren muss, um errettet zu werden?
6.) Die Heiden betreffend
In Gal 3, 14 steht: "auf dass der Segen Abrahams
unter die Heiden käme in Christo Jesu und wir also
den verheißenen Geist empfingen durch den Glauben."
Das heißt, während hier über Israeliten gesprochen
wird und über ihre Errettung vor dem Gesetz durch
das Opfer Christi, wird auf einmal auch
gesagt, dass genau dieses Opfer die Möglichkeit zur
Errettung auch auf die Heiden überträgt. Da
man kein Israelit mehr sein und das Gesetz nicht
mehr wahren muss, um errettet zu werden, aber dass
diese Errettung durch den Glauben sich auf alle
Mitglieder des Leibes Christi ausbreitet, so dass
auch sie am Sieg über die Sünde und den Tod
teilhaben.
Paulus erklärt also, dass der "Freikauf" der
Israeliten vom Gesetz durch das Opfer Christi sich
nun auf alle Heiden ausbreitet, auch wenn sie selber
nicht "unter dem Gesetz" standen, jedoch auch auf
dem Pfad des Verlustes waren ohne Aussicht auf
Errettung - nicht mal mit der Wahrung des Gesetzes.
Aber jetzt gibt es einen neuen Weg der
Errettung, durch den Glauben an Christus, an dem
alle teilhaben und errettet werden können.
Natürlich spricht die Stelle über die Errettung der
Heiden in Christus. Aber die Errettung wird nicht
abhängig gemacht von der Befreiung von dem Fluch des
Gesetzes, wie das bei den Israeliten der Fall
gewesen war, sondern von dem Opfer Christi und
Seinem Sieg über den Tod.
Und in all dem gibt es kein "Geschäft"
forensischer Art bzw. keine Befriedigung
verwerflicher Anforderungen angeblicher "göttlicher
Gerechtigkeit". Es gibt nur die Öffnung eines neuen
Weges zur Errettung, dieses Mal für alle
durch den Glauben an Christus. Jedoch nicht durch
das Gesetz für jene unter dem Gesetz, die dadurch
ebenfalls vom Fluch des Gesetzes befreit wurden.
7.) Wieso Wortwörtlichkeit statt Metapher?
Nach allem, was bisher gesagt wurde, ist nun der
(metaphorische) Sinn der Formulierung "Christus uns
freikaufte..." eindeutig klar. Ich erkaufe etwas,
wenn ich einen Gegenwert bezahle, um in den Besitz
von etwas zu gelangen. Ich verzichte auf etwas, um
etwas Anderes zu erhalten. Christus bezahlte etwas,
gewann jedoch etwas Anderes. Er bezahlte mit seinem
Leben und seinem "Ansehen" in der Welt und gewann
die Befreiung der "unter dem Gesetz" lebenden
Israeliten vom Fluch des Gesetzes.Und mit ihnen
gewann er auch das Leben der Heiden, die an Christus
glauben und sich mit Ihm kleiden durch die Taufe. Er
bezahlte etwas, er gewann etwas.
Wenn wir wortwörtlich über das Wort "freikaufen"
sprechen, dann betrachten wir
- denjenigen, der für eine Dienstleistung oder ein
Gut bezahlt (gibt) und
- denjenigen, der bezahlt wird (nimmt).
Aber Jesus bezahlte niemanden. Er bezahlte
nur (er gab). Mit seinem Leben! Ohne dass es
jemanden gab, der etwas erhielt (nahm). Denn wer
konnte das Leben Christi erhalten, mit dem Christus
bezahlte? Keiner. Nirgendwo in der Stelle steht,
dass das, was Christuts bezahlte, irgendjemand
erhielt. Er bezahlte einfach nur! Und es steht dort
übrigens auch nirgendwo, dass jemand eine Bezahlung
verlangte. Denn, abgesehen davon, was sollte dieser
jemand mit solch einer Bezahlung anfangen?
Denjenigen, die immer noch nicht verstehen, die auf
westliche Weise an einer Art forensischer Auffassung
Gottes und Seiner Gerechtigkeit anhängen, wollen wir
ein Beispiel nennen:
Stellen wir uns ein Gebiet in Afrika vor, in dem der
Fluch der Malaria jedes Jahr Tausende umbringt. Und
ein Arzt geht in jenes Gebiet, um die Menschen gegen
Malaria zu impfen. In jenem Gebiet grassieren aber
auch andere Seuchen, gegen die der Arzt selber nicht
geimpft ist, nur gegen Malaria. Während nun seine
Impfungen Tausende retten bzw. vor dem Tod durch
Malaria bewahren, infiziert sich der Arzt mit einer
anderen der Seuchen. Und stirbt. Der Fluch des Todes
kommt auf ihn, auch wenn er Tausende errettete. Was
gewann er? Tausende von Leben! Was verlor er? Sein
Leben! Er gab etwas für diesen Zweck und er erhielt
etwas. An wen gab er sein Leben? An niemanden.
"Der Preis" für die Rettung Anderer war sein
eigener Tod. Und sein Tod war durch niemanden
vorherbestimmt. Er war voraussehbar, als möglicher
Ausgang seines Werkes, aber nicht vorherbestimmt.
Dasselbe gilt für den Tod Christi. Mit Seinem Leben
bezahlte er "den Preis" für die Errettung uns aller,
und für die Befreiung der Israeliten vom Fluch des
Gesetzes.
Keiner verlangte diesen Tod als Gegenwert für die
Errettung der Menschen (auch wenn der Allwissende
von vornherein wusste, dass das geschieht). Dass
Sein Opfer errettend wirkt, das war verlangt. Nicht
das Geschäft, aber die Errungenschaft, die der
Verlust Seines Lebens erwirkte. Abgesehen davon,
welcher vernünftige Mensch könnte einen "Gott"
lieben, der nicht nur das Leben eines Unschuldigen
zur Errettung der Schuldigen als Gegenwert
vorsieht, sondern dies verlangt? Welcher
vernünftige Mensch könnte dieses Verbrechen als
"Gerechtigkeit" bezeichnen?