Einleitung
Die
Frauenordination hat in der reformatorischen
Christenheit ihren Ursprung. Dort waren schon von
Anfang an die theologischen Voraussetzungen gegeben.
Dennoch wurde diese Möglichkeit zunächst nicht
umgesetzt. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie in
Deutsch-land am Ende des Ersten Weltkriegs und der
Ausrufung der Demokratie war für die Frauen in der
Gesellschaft eine neue Zeit angebrochen. Es hatte
sich erwiesen, dass sie in der Kriegsin-dustrie
genauso die Aufgaben erfüllten, wie ihre Männer, die
an der Front kämpften. Diese Bewährung gab ihnen ein
neues Wertgefühl, das sie ermutigte, nun auch gegen
die bisherigen Einschränkungen für Frauen anzugehen
mit der Forderung, ihnen Zugang zu den Universitä-ten,
freie Berufswahl und das Wahlrecht zu gewähren. In
diesem Zusammenhang ergab sich dann in der
evangelischen Kirche die Forderung nach dem Zugang
zum geistlichen Amt auch für Frauen. Damit seien die
historischen Voraussetzungen angedeutet, die zur
Einführung der Frauenordination führten. Die
politische Entwicklung und der Zweite Weltkrieg
verzögerten diese Entwicklung. Erst nach dem Krieg
in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahr-hunderts
wurden das Thema der Frauenordination aktualisiert
und die ersten Frauen in den evangelischen Kirchen
ordiniert. Inzwischen war eine feministische
Theologie entstanden, die für die Anliegen der
Frauen gegen eine „maskuline“ Theologie sich erhoben
hatte.
Die
langfristigen Voraussetzungen zur Einführung der
Frauenordination waren aber schon im 16. Jahrhundert,
d.h. in der Reformation mit ihrem Verständnis vom
kirchlichen Amt und von der Kirche gegeben, wie
beide in der Augsburgischen Konfession definiert
wurden (Confessio Augustana, abgekürzt: CA ). Dort
heißt es zwar, „Um solchen Glauben zu erlangen hat
Gott das Predigtamt eingesetzt …“ ( CA V ). Doch
diese göttliche Einrichtung wird wieder zurück-genommen
im Artikel VII der Augsburgischen Konfession über
die Kirche (CA VII), wo das geistliche Amt nicht zu
den unbedingt notwendigen Kennzeichen der Kirche
gehört: „Denn dies ist genug zu wahrer Einigkeit der
christlichen Kirchen, dass da einträchtiglich, nach
rei-nem Verstand, das Evangelium gepredigt und die
Sakrament dem göttlichen Wort gemäß ge-reicht werden.“
Dem Predigtamt, dem Amt des Gemeindevorstehers, wird
damit theologische Begründung und verbindliche
Aussagekraft nur noch aufgrund von Eintracht, „reinem
Ver-stand“ und Bindung an „das göttliche Wort“
zugesprochen. Die offiziell kirchliche Scheidung von
Glaube und Irrtum gerät somit in Abhängigkeit von
partikulären Einträchtigkeiten, diver-sen
Interpretationen des „reinen Verstandes“ und
verschiedenen Zugängen zum „göttlichen Wort“. Dieser
Widerspruch im Augsburgischen Bekenntnis hat im
lutherischen Teil der Re-formation bis heute zu
einem Konflikt um das Verständnis des geistlichen
Amtes geführt
Eine
von der Tradition abweichende Auffassung vom
geistlichen Amt ergibt sich auch aus der
Rechtfertigungslehre. Der reformatorische
Glaubenssatz, dass der Christ vor Gott „Gerechter
und Sünder zugleich“ (simul iustus et peccator ) ist,
wird auf die Kirche übertragen. Diese er-schöpft
sich ja in ihrer Eigenschaft als „Versammlung“ und
besteht somit nur noch aus ge-rechtfertigten und
zugleich sündigen Menschen . Diese Feststellung gilt
auch für den Amts-träger, der nach reformatorischer
Auffassung nur noch organisatorische Funktionen
erfüllen kann. Sein Amt kann daher auch nur „menschlichen
Rechtes“ sein.
Mit
diesem Verständnis des geistlichen Amtes hat sich
die Reformation nicht nur vom römi-schen
Katholizismus, sondern von der gesamtchristlichen
Tradition des 1. Jahrtausends ge-trennt. Wenn das
Priesteramt nicht mehr sakramental, d.h. als von
Gott eingesetzt, verstanden wird, dann unterliegt es
auch sozialen und historischen Bedingungen. Warum
sollte dann nicht unter historisch veränderten
Bedingungen auch Frauen der Zugang zum geistlichen
Amt gewährt werden können?! - Es ist daher nicht
verwunderlich, dass die feministische Theolo-gie den
Ausschluss der Frauen vom geistlichen Amt als rein
historisch bedingt ansieht.
Inzwischen hat sich diese Art des theologischen
Denkens in der westlichen Christenheit auch bei den
römischen Katholiken Anhänger gefunden. Hier
allerdings wurde, diese „Strömung“ durch die „Erklärung
der Kongregation für die Glaubenslehre zur Frage der
Zulassung von Frauen zum Priesteramt“ vom 15.
Oktober 1976 und vor allem durch das „Apostolische
Schreiben von Papst Johannes Paul II über die nur
Männern vorbehaltene Priesterweihe“ vom 22. Mai 1994
abgeblockt[1]. Auch unter
orthodoxen Akademikern ist die Frage des Zugangs der
Frau zum geistlichen Amt in den letzten Jahrzehnten
in Aufsätzen und Büchern behandelt worden. Viele
theologisch Gebildete und in interchristlichen
Dialogen Engagierte finden es offenbar schwierig,
sich dem in den anderen Christentümern herrschenden
Zeitgeist zu entziehen.
Die
Orthodoxe Kirche sieht in dem neuen Kirchen- und
Amtsverständnis der Reformation einen tief
greifenden Traditionsbruch. Die Bindung der
christlichen Glaubensinhalte an die Autorität der
Kirche ( die ja vom Geist „in alle Wahrheit geführt
wird …“ ) kann weder durch
die
nicht vorhandene „Eintracht“ ( CA VII ), noch durch
den „reinen Verstand“ ( CA VII ),
noch
durch die vom einzelnen Christen übertragene
Auslegung „dem göttlichen Wort gemäß“ ersetzt
werden. In der Frage der Frauenordination sind für
die orthodoxe Theologie die geleb-te Tradition und
die Aussagen der Kirchenväter bindend.
1. Das Zeugnis der Väter
Im
1. Clemensbrief findet sich ein Lob auf die
innere Ordnung in der Gemeinde, die ‚alles tut, um
in den Satzungen Gottes zu wandeln’. In Bezug auf
die Frauen heißt es da: „ … lehret sie, sich in den
Schranken der Unterordnung zu halten … was euch
Christus für eure Pilger-reise darbot, ließet ihr
euch genügen und nahmet es in acht; seine Worte
schlosset ihr sorgfäl-tig in euer Herz ein“[2].
- Die Antwort auf die Frage nach der Rolle der
Frau in der Kirche besteht hier im Hinweis auf das
Gebot Christi.
Tertullian schreibt in seiner Schrift „Über die
Jungfrauen und das Schleiertragen“ in
Anleh-nung an die Aussagen des Apostels Paulus zum
öffentlichen Lehren der Frau: „Es ist einer Frau
verboten, in der Kirche zu verkündigen; auch darf
sie nicht unterrichten, taufen, opfern oder sich den
Rang eines männlichen Amtes, geschweige denn des
priesterlichen Dienstes an-maßen.“[3]
Diese Aussage kann nicht als seine Privatmeinung
gewertet werden, weil sie sich auf das offizielle
Handeln der Kirche in ihrem Vollzug der Sakramente
bezieht.
Irenaeus verurteilt in seiner Schrift „Adversus
haereses“ das Wirken eines valentinianischen
Zauberers namens Markus einschließlich der Frauen
dieser Sekte, die meinten, die Eucharistie feiern zu
müssen. Da heißt es von dem Zauberer: „Ein andermal
reichte er den Frauen die ge-mischten Kelche und
lässt sie in seiner Gegenwart die Worte der
Danksagung sprechen.“[4]
Das
liturgische Handeln der Frauen im Zusammenhang mit
der Darstellung dieser Sekte hat hier eindeutig
häretischen Charakter.
Auch
Origenes verurteilt jede öffentliche
Verkündigung durch Frauen, weil diese sich da- durch
dem Mann überordneten.[5]
Hippolyt von Rom bezeugt in seiner „Apostolischen
Tradition“, dass Witwen keinen liturgi-schen Dienst
verrichten können: „Wenn eine Witwe in den
Witwenstand aufgenommen wird (kaqistastai ), dann
wird sie nicht ordiniert ( ceirotonein ), sondern
durch den Titel („Witwe“ ) als solche bestellt ….
Man soll ihr nicht die Hände auflegen, denn sie
bringt nicht das Opfer dar ( prosfora ) und
vollzieht keinen liturgischen Dienst (leitourgia ).
Die Or-dination ( ceirotonia ) geschieht nämlich für
den Klerus ( klhroV ) wegen des liturgischen
Dienstes. Die Witwe aber ist für das Gebet bestimmt,
was Aufgabe aller ist.“[6]
In
gleicher Weise verwehrt die syrische
Kirchenordnung, die „Didaskalia“, den Frauen so-wohl
das Lehramt, als auch den priesterlichen Dienst der
Spendung der Mysterien ( orth. : Sakramente ): „Was
nun die Frauen betrifft, so raten wir, nicht zu
taufen oder sich von einer Frau taufen zu lassen,
denn das ist eine Übertretung des Gebotes und sehr
gefährlich für die, welche tauft, und den welcher
getauft wird. …Bringet also keine Gefahr über euch,
….indem ihr euch wie außerhalb des Gesetzes des
Evangeliums stehend betragt. … Denn nicht zu
belehren, seid ihr Frauen …angestellt …. Denn er,
Gott der Herr Jesus Christus unser Lehrer, hat uns,
die Zwölf, ausgesandt, das ( auserwählte ) Volk und
die Heidenvölker zu lehren. „[7]
Dieser Text zeigt eindeutig die Berufung auf Christi
Gebot.
Ausführlich nimmt Bischof Epiphanius von Salamis
( 4. Jh. ) zum Thema die Frau als Prie-sterin
Stellung. In seiner Schrift „Adversus haereses“
schreibt er über die Montanisten: „ In einer
ungesetzlichen und gotteslästerlichen Zeremonie
ordinieren sie Frauen und bringen durch sie im
Namen Marias Opfer dar. Das bedeutet, dass die ganze
Sache gottlos und frevel-haft ist ... “.[8]
Auch für den Alten Bund stellt er fest: „Nirgends
diente eine Frau als Prieste-rin.“[9]
Die Verweigerung des priesterlichen Amtes für die
Frau wird in keinerlei Weise von ir-gendeiner
Minderwertigkeit der Frau abhängig gemacht, sondern
allein von dem Gebot Chri-.sti. „Die kirchliche
Praxis, Frauen nicht zu Priestern zu weihen,
erscheint demnach als ver-bindlicher Bestandteil der
Glaubenstradition.“[10]
Johannes Chrysostomus geht auf unser Thema in
seiner Schrift „Über das Priestertum“ ein. Über die
Aufgaben und die Größe des priesterlichen Amtes
schreibt er anhand der Neuberu-fung des Petrus in
sein apostolisches Amt: „ Denn die Aufgaben (sc.
des Amtes )… könnten viele kaum leisten, nicht bloß
Männer, sondern auch Frauen. …. Da muss zunächst vor
der Größe einer solchen Aufgabe das ganze weibliche
Geschlecht zurücktreten, aber auch die Mehrzahl der
Männer.“[11] Mit dem ‚Zurücktreten
des ganzen weiblichen Geschlechtes’ und der „Mehrzahl
der Männer“ ist der Hinweis auf die Berufung zum
Verkündigungsdienst durch Christus gegeben, der nur
Männer in dieses Amt eingesetzt hat.
Auch in
den Apostolischen Konstitutionen, findet
sich das Argument, dass die Taufe Jesu Christi schon
von einem Mann, Johannes, dem Täufer, vollzogen
wurde. Wäre auch den Frauen die Amtsvollmacht
gegeben gewesen, hätte ihn ja seine Mutter taufen
können. Da dies nicht geschehen sei, könne darin die
Ordnung des apostolischen Auftrags nur für die
Männer wieder erkannt werden.[12]
2. Neuere orthodoxe Dokumente zum Thema
Frauenordination
Diese
Zeugnisse der Väter der Kirche und die ihnen
folgende Tradition der Kirche ist getra-gen von
der theologischen Begründung des priesterlichen
Dienstes durch seine Einsetzung durch Christus und
die daraus entstandene Tradition der Kirche. Sie
haben als Maßstab auch für die heutigen Fragen zu
gelten. Wenn dennoch orthodoxe Theologen, die
Stellung der Frau in der Kirche als theologische
Frage stellen, so geschieht dies mit zwei Argumenten:
1. Die
gesellschaftliche Situation der Frau habe sich im
20. Jh. grundlegend verändert.
Ihre Funktion und Stellung in der Kirche dürfe nicht
mit historisch überholten Gesell-schaftsnormen
bestimmt werden[13].
2. Es
gibt bis zum heutigen Tag zum Thema der Stellung der
Frau in der Kirche keine ge-samtorthodoxe
Verlautbarung von ökumenischer Autorität.[14]
Ad 1
Zum
ersten Argument lässt sich nur feststellen, dass es
als säkulares, raum,- und zeitgebun-denes zu
theologischen, d.h. zeitlos gültigen Themen keinen
Beitrag liefern kann. Dieses Ar-gument wird nur dann
relevant, wenn Kirche und Amt wie in der
reformatorischen Glaubens-lehre bereits auf
innerweltliche Größen reduziert worden sind.
In der
Christologie schafft diese Sichtweise eine
Einschränkung der theologischen Relevanz des
Handelns Christi: Seine Einsetzung des rein
männlichen, apostolischen Amtes verdankte sich
danach nur zeitgebundenen Vorurteilen. Demgegenüber
ist in der paulinischen Theolo-gie das apostolische
Amt auch in seiner Form (als rein männliches) von
theologischem Rang. Somit bleibt nur die Alternative:
Entweder hat sich Paulus geirrt, oder Jesus ist Herr
nur unter den Bedingungen der damaligen Geschichte,
nicht aber Herr über die Geschichte.
Ad 2
Als
offizielle orthodoxe Stellungnahmen zum Thema der
Frauenordination gelten:
1. Die
Athen-Erklärung vom Juli 1978 der Gemeinsamen
Anglikanisch-Orthodoxen Lehr-
kommission zum Thema der Ordination von Frauen.[15]
2. Die
Stellungnahme der III. Vorkonziliaren Panorthodoxen
Konferenz in Chambesy/Genf
im
Februar 1986, in der die Beziehungen der Orthodoxen
Kirche zu den anderen Teilen
der Christenheit definiert wurden.[16]
3. Das
Dokument „Die Stellung der Frau in der Orthodoxen
Kirche und die Frage der Ordina-
tion von Frauen“ des Interorthodoxen Symposions auf
der Insel Rhodos im Jahr 1988.[17]
Diese
Dokumente sind Konferenzerklärungen und haben den
Charakter von Empfehlungen, so dass Bischof
Kallistos Ware sie als Beiträge zu einer
fortdauernden Debatte ( „they con-stitute a
contribution to a continuing debate“ ) ansieht.[18]
Er betrachtet das Thema des Frauen-priestertums als
eine inhaltlich offene Frage ( „as essentially an
open question“ ).[19] Theodor
Nikolaou sieht das Thema als ein von außen an die
Orthodoxie herangetragenes und noch nicht
ausreichend untersuchtes. Er möchte dieses Problem
als theologoumenon betrachtet sehen: „Die
konstatierte ablehnende Haltung der Frauenordination
gegenüber sollte darum nicht als endgültig gelten“.[20]
Er geht noch einen Schritt weiter und erwägt, die
Eindeutigkeit
der
Tradition der Kirche und ihre Begründung zu
überdenken. Natürlich kann ein solches Überdenken „
nicht auf die Heilswahrheiten der christlichen
Botschaft ( z. B. die Lehre vom Dreieinigen Gott,
die Menschwerdung des Logos und die Rettung des
Menschen nur in Chri-stus etc.), sondern lediglich
auf solche Fragen bezogen werden, die sich
nachweislich als ge-schichtlich bedingte
Entwicklungen erweisen“.[21]
Der
Anstoß von Theodor Nikolaou scheint nur bei erstem
Hinsehen insofern berechtigt, als er eine letztlich
nicht-theologische Problematik unterstellt und somit
zumindest seiner Intention nach die Tradition der
Kirche nicht in Frage stellt. Und in der Tat berufen
sich die zitierten Zeugnisse der Väter über den
Ausschluss der Frauen vom priesterlichen Dienst nur
auf die Tradition der Kirche und auf Jesu Christi
Handeln. Allerdings war eine tiefere Begründung zu
einer Zeit nicht erforderlich, in der sich innerhalb
der Kirche die Forderung nach einer Zu-lassung der
Frau zum geistlichen Amt nicht mit solcher Macht
erhoben hatte, wie dies heute bei den lateinisch
geprägten Christentümern der Fall ist.
3.a. 1. Kor 11,2-16
Nun
könnte man andererseits argumentieren, dass sich
vielleicht dieses selbe Problem doch schon einmal in
der Kirchengeschichte gestellt hat, wenn auch in
kleinem Rahmen und unter dem Deckmantel einer
anderen Fragestellung. Gemeint ist hier die
Kopfverhüllung für die Frauen im Gottesdienst, für
die Paulus im 1. Korintherbrief massiv eintritt. Wie
kommt es, dass er in dieser Frage mit solch
beißender Ironie und mit einer so schwerfälligen
hieratisch geprägten Sprache auftritt, wo es sich
doch scheinbar nur um eine – wir würden sagen –
Modeerscheinung handelt? Was steckt hinter dieser
Diskrepanz von Anlass und Argumentation?
Es geht
in den Kapiteln 10-14 dieses Briefes um nichts
Geringeres als den würdigen Ablauf der Liturgie in
Korinth, d.h. nicht nur um die äußeren Formen,
sondern auch um zentrale In-halte. Allein im 11.
Kapitel wird dies deutlich. In seiner Zweiteilung
spiegelt dieses Kapitel den Gang der Liturgie
wieder mit dem katechetischen Teil der
Wortverkündigung (1.Kor 11,2-16) und dem
eucharistischen Teil ( 1. Kor 11,17- 34 ), in dem
Paulus einen feststehen-den Text aus der ihm
überkommenen Tradition über das Herrnmahl (1. Kor
11,23-26 )zitiert.
Ebenso
findet sich in der ersten Hälfte des Kapitels ein
solcher Text, die „Haupt“-Formel, eine Art
dreigliedriges Bekenntnis mit ähnlicher einleitender
Traditionsterminologie wie sie vor dem
Einsetzungsbericht steht. Das Zitat einer solchen
tradierten Lehrformel ist das Zei-chen höchster
Verbindlichkeit ihres Inhaltes.
Johannes Chrysostomus hat die Differenz zwischen der
äußeren Form ( Kopfbedeckung ) und dem theologischen
Inhalt des Abschnitts fein erspürt, wenn er in
seinem Kommentar zur Stel-le schreibt: „Und sag mir
nur nicht, dass es eine kleine Sünde ist: denn für
sich genommen ist sie doch groß: es ist nämlich
Ungehorsam .., weil sie das Symbol großer Dinge ist[22].
Es möge erlaubt sein, auch an stilistischen
Beobachtungen diesen Inhalt zu erheben.
3.b. Kompetenzerklärung
Bei
einer Auseinandersetzung um inhaltlich Bedeutendes
ist zu Beginn die Kompetenz des Autors zu klären.
Dies geschieht hier in Vers 2 in vierfacher Form:
1.
Durch das Loben, das im Griechischen eine
Intensivform hat. Es geht um ein verstärktes
Loben, das man im Deutschen übersetzen müsste mit „Ich
belobige euch“, wenn es dieses
Verb gäbe. Es drückt das Loben eines Vorgesetzten
gegenüber den Untergebenen aus.
2. Die
Phrase: „…dass ihr in allen Stücken ( panta )
meiner gedenkt ...“ ist inhaltlich zu verstehen.
Paulus meint hier die Glaubensinhalte, die er den
Korinthern verkündete ähn-lich, wie das „alles“ (
panta - „ was ich euch befohlen habe“ ) in Mt 28,20
zu verstehen ist. Dieses „alles“ in Vers 2 bildet
mit dem zusammenfassenden „alles“ ( ta de panta ) in
Vers 12 stilistisch eine Klammer, die die
theologischen Aussagen in dem ersten Abschnitt von
1. Kor 11,2-12 zusammenfasst.
3. Die
Phrase „ ..ich habe euch die Überlieferungen
überliefert“, in der Verb und Objekt den gleichen
Wortstamm haben, ist ein Akkusativ des Inhalts: Das
Objekt bezeichnet in dieser rhetorischen Stilform
einen Inhalt von höchster Bedeutung.
4.
Der Ausdruck „Ich will, dass ihr wisst, …“ ist
unter den paulinischen Unterweisungsfor-
meln ( z. B. „Was die … angeht“ – 1. Kor 8,1; „wisst
ihr nicht, dass …“ - Rm 7,1 ;
„ich will nicht, dass ihr nicht wisst, dass …“ – Rm
1,13 …“) die stärkste und einmalige
(
hapax legomenon). Rhetorisch hat sie die Funktion
eines starken Doppelpunktes, der auf einen wichtigen
Inhalt hinweisen will.
Diese
vier stilistischen Elemente weisen alle in die
gleiche Richtung: Hier schreibt jemand, der seinen
Adressaten zuerst einmal seine Kompetenz
verdeutlicht, für das, was er ihnen im Folgenden als
Lehre vorgibt.
Die
Lehre besteht im folgenden Vers 3 aus einer
Traditionsformel, einem Bekenntnis[23]
zum göttlichen Heilshandeln im Neuen Bund, in der
dreifach gegliederten „Haupt-Struktur“. Der monotone
hieratische Stil dieser Formel hat den Charakter
eines dreifachen Paukenschlags, auf den nun eine
leise Melodie ( in Form der von beiden Geschlechtern
ausgeübten Charis-men in den Versen 4 und 5 ) folgt,
um seine Tonfülle umso deutlicher hörbar zu machen.
D. h. hier liegt der Schwerpunkt des Stückes.
Was ist
der Grund, dass Paulus seine Unterweisung mit einem
solchen Fortissimo einleitet?
Für
eine Frage der Kleiderordnung ist dieser Aufwand
unangebracht. Es muss sich um einen theologischen
Konflikt handeln, um den hier gerungen wird. Gerhard
Dautzenberg vermutet hier im Hintergrund eine „innergemeindliche
Auseinandersetzung um den Brauch“ der Ver-hüllung,
die sich „aus der Anspielung auf mögliche Streitlust“
in 1. Kor 11,16a erschließen ließe[24].
- Oder ist der Anlass gar eine theologisch
begründete Emanzipation der Frauen. die die
Kopfverhüllung mit Hinweis auf die unbedeckten
Häupter der Männer ablegen wollen ? Wollen sie etwa
auch die Forderung nach Freiheit der Rede, wie sie
den Männern im Gottes-dienst eingeräumt wird, (
Forderung, die hinter dem Vers 1. Kor 14,34 stehen
könnte ) mit dem Zeichen des Ablegens der
Kopfbedeckung unterstreichen ? Mit der Berufung auf
den unterschiedslosen Geistempfang für beide
Geschlechter, wie sie in Joel 3,1 verheißen wird: “…
und dann will ich meinen Geist ausgießen über alles
Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen
…“ konnten sie ihre Forderung durch das Zeichen des
Schleierablegens un-termauern. – Nur unter diesen
Voraussetzungen wird der massiv theologische und
schneidend scharfe Sprachgebrauch ( in den Versen 5
und 6 ) des Apostels in dem Abschnitt 1. Kor 11,2-12
verständlich. Der eigentliche Gegenstand des
Konfliktes ist nicht der Schleier, sondern die
Stellung der Frau im Gottesdienst. Von daher wäre
dieser Abschnitt in dem Paulusbrief zum Thema Frau
und Amt von höchster Brisanz. Dieser
Konfliktsituation entsprechen Rhetorik, Einleitung,
Aufbau und Inhalt der Verse. Paulus ist hier
gefordert, die theologische Begrün-dung für das
Ablegen der Kopfbedeckung seitens der Frauen mit
einer noch stärkeren theolo-gischen Argumentation
überzeugend zu widerlegen.
3.c. Die „Haupt“-Formel – Ausdruck der
Heilsordnung des Neuen Bundes
Aus der
Tradition der jungen Kirche zitiert Paulus die „Haupt“-Formel.
Sie enthält mit ihrer hierarchischen Struktur „Gott
– Christus – Mann – Frau“ die Heilsordnung des Neuen
Bun-des. Sie enthält die Heilsbotschaft des Apostels,
die mit der Theologie des Neuen Bundes die
prophetische Joelvision des Alten Bundes überbietet.
An dieser Stelle klafft eine Kluft auch zur
Auslegung dieser Verse bei orthodoxen Theologen, die
auf die stilistischen Formen, in denen die
theologische Aussage hier auftritt, kaum eingehen[25].
Kallistos Ware anerkennt zwar die theologische
Aussage dieser neutestamentlichen Stelle, dass sie
in der Beziehung zwi-schen Mann und Frau eine
Hierarchie setzt ( „While this text does certainly
posit a taxis or
‚hierarchy’
within the man-woman relationship of marriage, ....”
)[26]. Seine Intention ist
schon deutlich, wenn er das Wort Hierarchie in
Parenthese schreibt ( „hierarchy“ ) und das griechi-sche
„taxis“ ( Ordnung ) daneben gestellt hat und im
folgenden zu Ende führenden Hauptsatz einschränkt
„.. ‚hierarchy’ is not the same as subordination“.[27]
Hier findet ein theologischer Eiertanz statt. An dem
Wort Hierarchie kommt er nicht vorbei, weil die
Anwendung der “Haupt”-Formel in 1. Kor 14,34 ff in
den kategorischen Imperativen des Schweigegebotes
für die Frauen und in dem Wort „sie sollen sich
unterordnen“ seinen Ausdruck findet. Wie soll man
sich Hierarchie ohne eine Unterordnung vorstellen
? Die ekklesiologische Struktur von Eph 5,21 ff.
zeigt, dass das Wort „Haupt“ bei Paulus mit „sich
unterordnen“ ( upotasso-
menoi )
zu verbinden ist. Es versteht sich von selbst, dass
hier nicht von „Subordination“ im Sinne von
Machtausübung die Rede ist. Denn es heißt ja in Eph
5,21 „Seid euch gegenseitig untertan in der Furcht
Christi“ ( upotassomenoi allhlouV en fobv
Cpistou ). Diese
Ergänzung zu dem Wort „seid untertan“ hebt die
„Haupt“-Struktur nicht auf, wie dies Eph 5,23
verdeutlicht: „Der Mann ist das Haupt der Frau, wie
Christus das Haupt der Kirche ist“.
Diese
Ordnung ist nicht umkehrbar. Sie ist sie die
rettende Heilsordnung des Neuen Bundes, so ist sie
heilige Ordnung, so ist sie Hierarchie, natürlich
ganz und gar im christlichen Sinne.
Nur in
diesem Sinne ist die „Haupt“-Formel in 1. Kor 11,3
nicht irgendeine Ordnung oder Reihenfolge ( taxiV ),
sondern ekklesiologische Struktur und damit
Tradition der Kirche. Wenn die Kirchenväter diese
Struktur gegen die priesterlichen Ambitionen von
Frauen in der Kirchengeschichte verteidigt haben,
dann nicht aus mangelnder Reflexion über die
sozialen Verhältnisse ihrer Zeit[28],
sondern aus dem tiefen Traditionsbewusstsein der
Kirche.
Diese
dreifach gestufte Heilsordnung, die in 1. Kor 11,3
auf den Gottesdienst und die korin-thische Gemeinde
angewendet wird, steht natürlich konträr zu den
soziokulturellen Gegeben-heiten und Forderungen
unsrer Welt. So geschieht es immer wieder,dass unser
heutiges sozio- logisches Denken in die Auslegung
einer solchen theologischen Aussage eindringt. Die „Haupt“-Struktur
von Vers 3 wird als „jüdisch-hellenistische
Ordnungsvorstellung“ abgewer-tet[29].
Die Schwierigkeit für das moderne Denken ist, dass
man mit einer hierarchischen Ord-nung fast
automatisch eine Machtausübung und
Unterprivilegierung verbindet. Wenn man da-her den
Vers 3 mit seiner Aussage als eine Art zeit- und
ortsgebundene Inkulturationsphrase versteht, kann
man sie als für unsere Zeit unverbindlich
interpretieren. Dann geht es da ledig-lich um die „Erledigung
praktischer Probleme“, womit des Apostels „extreme
Behauptung über die Stellung der Frauen im Kultus“[30]
erledigt ist.
Diese
Form der zeitgeistigen Interpretation scheitert
jedoch am Wortlaut von 1. Kor 11,2-16.
Der
Apostel weiß sehr deutlich zwischen
soziokulturellen, zeitgebundenen Inhalten und der
zeitlosen Wahrheit des Evangeliums gerade in diesem
Abschnitt zu unterscheiden. Für letz-tere steht:
das griechische Wort paradosiV ( Tradition,
Überlieferung ) in Vers 3 und für
erstere das Wort sunh0eia ( Gewohnheit,
kulureller Brauch ) in Vers 16.
Die
„Traditionen“ in Vers 3 stehen im Abschnitt
2-12, der durch den hieratischen Stil an-zeigt, dass
es sich hier um theologische Inhalte handelt. Das
griechische Wort für Gewohn-heit, Brauchtum
steht am Ende des Abschnitts, in den Versen 13-16,
die durch einen freien Diskussionsstil geprägt sind.
Überprüft man an der griechischen Konkordanz zum
Neuen Testament das griechische Wort „paradosis“ (
Tradition ), dann bezeichnet es an allen Stellen,
selbst wenn die Pharisäer es verwenden, einen
theologischen Inhalt. Es kann darum unmög-lich
Ausdruck für soziokulturelle Inhalte sein.
Von
vielen (besonders heterodoxen) Auslegern wird 1. Kor
11,3 mit seiner hierarchischen Stufung als
Widerspruch zu Gal 3,28 empfunden. Hier wird in
einer Taufparänese in Überein-stimmung mit 1. Kor
12,13 und Kol 3,11 eine „christologisch fundierte
Aufhebung grundle-gender anthropologischer
Gegensätze“[31] „Alle, die
ihr in Christus getauft seid, habt Christus
angezogen. Da ist weder Jude noch Grieche, weder
Sklave noch Freier, weder männlich noch weiblich“
festgestellt. Dieser Vers wird zur Verteidigung der
Würde der Frau angeführt, die in der “Haupt“-Formel
durch die männliche Autokratie angegriffen werde.
Die Taufe verleiht allen Getauften das königliche
Priestertum, Männern und Frauen. Da in der Taufe die
anthro-pologischen Grenzen aufgehoben sind, sollten
sie auch in der Kirche mit ihrer Ämterstruktur
aufgehoben sein. Auf dieser Grundlage, so lautet die
Argumentation für die Frauenordination, ist auch die
Frau zum geistlichen Amt berufen.[32]
Vor
dieser Interpretation der Galaterstelle warnt jedoch
sogar K. Ware. Konfusion wird das Ergebnis sein,
wenn nicht unterschieden wird zwischen „ontological
priesthood of baptism and the ministerial priesthood
of order“[33]. Beides sind von
Gott eingesetzte Heilsinstitutionen, die sich nicht
widersprechen, sondern ergänzen. Der vermutete
Widerspruch zwischen dem allgemeinen Priestertum der
Gläubigen und dem sakramentalen Dienst in der Kirche
löst sich jedoch in dem Augenblick auf, wenn die
hierarchische Struktur von 1. Kor 11,3 nicht als
Machtposition, sondern als in Gott begründete
Dienststruktur erkannt wird. Der Wortlaut, der
Tonfall, der gedankliche Aufbau und die Stilmittel
dieser Stelle geben allen Anlass dazu. Wie absurd es
ist, hier in Machtstrukturen zu denken, wird
deutlich, wenn man sich vorstellt, dass der Apostel
oder Vorsteher der Gemeinde den Vorwurf der
Unterprivilegierung, die man hier für die Frauen
befürchtet, gegen Christus, oder wenn Christus ihn
gegen den göttlichen Vater erheben würde.
Auf
die „Haupt“-Formel folgt in den Versen 4 und 5 die
Umsetzung der theologischen Er-kenntnis in
liturgisches Handeln. Mit dem gleichlautenden
Satzanfang der beiden Verse:
„Jeder
Mann, der vorbetet und weissagt, der seinen
Kopf verhüllt, schändet sein Haupt. Jede Frau
aber, die vorbetet und weissagt mit
unverhülltem Kopf, schändet ihr Haupt“, bringt der
Apostel sowohl eine Gleichwertigkeit der
Geschlechter in der Ausübung der Geistesgaben im
Gottesdienst, als auch einen Unterschied ( in der
Kopfbedeckung )zum Ausdruck. Das Vor-beten und das
Prophezeihen werden im Gegensatz zur Synagoge als
Charismen von beiden Geschlechtern im christlichen
Gottesdienst vollzogen. Die unmittelbare Nähe der
Charismen in den Versen 4 und 5 zur Hauptstruktur in
Vers 3 macht deutlich, dass die Ausübung der
Charismen nicht unter den dem Mann vorbehaltenen
Vorsteherdienst im Gottesdienst fallen.
Die
beißende Ironie in den Versen 6 und 7 lassen
erkennen, wie ernst Paulus das Zeichen der
Kopfbedeckung oder –enthüllung nimmt, wenn es als
Zeichen gegen die aus Gott offenbarte
Heilsordnung gerichtet ist.
3.d. Mann und Frau in der
Schöpfungsordnung
Die
Berufung von Mann und Frau in der Heilsordnung des
Neuen Bundes bestätigt Paulus nun von der
Schöpfungsordnung her mit einer dreifachen
Begründung aus dem Schöpfungs-bericht:
1. „Der
Mann … ist das Abbild ( eikwn ) und die Ausstrahlung
( doxa)Gottes; die Frau aber ist die Ausstrahlung (
doxa )des Mannes“ ( v 7 ). Gemeint ist, dass das
Urbild Gottes in ihm aufleuchtet. Norbert Baumert
schreibt hierzu: „Will Paulus bewusst hier gegen die
In-tention von Gen 1,27 sagen, dass die Frau nicht ‚Bild
Gottes’ sei? Man beachte, dass er nicht sagt, sie
sei ‚Bild’ des Mannes. Also lässt er bei der
Fortführung des Vergleichs in Vers 9 diesen Begriff
bewusst weg, weil die Frau – selbstverständlich –
auch ‚Bild’ Gottes ist[34]. -
Zum Terminus „doxa“: Das griechische Wort „doxa“ (Ausstrahlung,
Herrlichkeit) bezeichnet hier die göttlichen
Energien[35], an denen der
Mensch teilhat. Die Frau ist somit nicht ein „Abglanz“
des Mannes im Sinne einer Minderung des Glanzes weil
aus zweiter Hand, sondern Teilhaberin des göttlichen
Glanzes durch den Mann. Der Mann vermittelt ihr den
Glanz, an dem auch er teilhat, ohne ihre
Gottesunmittelbarkeit zu leugnen.
2. „
Denn nicht ist der Mann aus der Frau, sondern die
Frau aus dem Mann“ ( V 8 ). Der Mann ist der
Ersterschaffene und damit das Urbild für die Frau.
3.
„Denn nicht ist der Mann wegen der Frau, sondern die
Frau wegen des Mannes“ ( V 9 ).
Alle
drei Begründungen in Anlehnung an den
Schöpfungsbericht stehen quer zum heutigen säkularen
Menschenbild. Es sind Begründungen für das
Verhältnis der Geschlechter unter-einander, die sich
jeder rationalen Einsicht entziehen. Es sind
theologische Begründungen aus dem Glauben an Gott
und der Erfahrung Seines Heilshandelns an Israel und
an Seiner Kirche.
Diesen
Stellen in der Hl. Schrift, für wie zeitbedingt man
sie auch halten mag, kann man den theologischen
Gehalt nicht absprechen. Nimmt man diese Intention
ernst, bleibt man der dem heutigen Denken unbequemen
Aussage des Textes treu.
Dieses
Argumentenbündel in 1. Kor 11,7-9 mit seinen
Schriftbegründungen besagt, dass sich schon in der
Schöpfungsordnung die Heilsordnung der „Haupt“-Formel
spiegelt: Das Verhül-len des Kopfs ist nur das
äußere Zeichen für die Beziehung der Geschlechter.
Diese
Feststellung des Unterschiedes zwischen Mann und
Frau von der Schöpfungsordnung her könnte als
Wertminderung der Frau missverstanden werden.
Deswegen schafft Paulus so-fort ein Gegengewicht mit
der Betonung der Gleichwertigkeit beider
Geschlechter von der Schöpfung her. Das
Nebeneinander dieser beiden Aussagen bereitet vielen
Auslegern dieses Abschnitts erhebliche
Schwierigkeiten. Sie sprechen vom
„Frauenfeindschaft“ [36] und
der „theologischen Unausgeglichenheit der
Argumentation“ des Apostels [37].
Diese Abwertung kann nicht verwundern. Wenn die
„Haupt“-Struktur schon trotz ihrer theologischen
Kenn-zeichnung nicht als theologische Aussage
anerkannt und kulturell-soziologisch interpretiert
wird, dann bleibt die Argumentation aus der
Schöpfungsordnung von dieser sachfremden Betrachtung
ebenso wenig verschont. - Das kleine Wörtchen
„jedoch“ ( plhn ) am Anfang von Vers 11 will diese
falsche Denkrichtung, die hier eine
Unterprivilegierung der Frau von der Schöpfung her
annehmen möchte, sofort zurückweisen : „Jedoch ist
weder die Frau ohne den Mann, noch der Mann ohne die
Frau im Herrn. Denn wie die Frau aus dem Mann, so
ist auch der Mann durch die Frau; ...“ (V 11 +
12a).
Dass
beide Feststellungen aus dem Schöpfungsbericht,
der Unterschied, sowie die Gleich-wertigkeit
beider Geschlechter, keinen Widerspruch bilden,
drückt Paulus in der kurzen Zusammenfassung
:...“dieses aber alles aus Gott “ ( 12c ) aus. Der
bestimmte Artikel „dies“ griech.: ta ) vor dem „
alles“ ( griech.: panta ) fasst die ganze
Argumentation, sowohl die Unterschiede zwischen den
Geschlechtern, als auch ihre Gleichwertigkeit in
beiden Bünden zusammen und begründet sie in
Gott[38]. Entscheidend an der
theologischen Begründung des Unterschieds der
Stellung der Geschlechter zueinander im Alten Bund
ist, dass der Apostel sich nicht auf die Situation
nach dem Sündenfall beruft, wo Gott zu Eva spricht:
„..dein Ver-langen soll nach deinem Manne sein, und
er soll dein Herr sein“ (Gen 3,16 ), sondern auf Gn
2. Die Vorordnung des Mannes über die Frau ist also
nicht die Folge des Sündenfalls, sondern ist die
gottgewollte Schöpfungsordnung von Anfang an und
steht unter der göttlichen Feststel-lung: „und siehe
da, es war sehr gut“ ( Gn 1,31 )
[39] Die Stellung des Mannes wird erkennbar in
der Gerichtsszene nach dem Sündenfall. Nicht Eva,
die Urheberin des Falls wird von Gott zur
Verantwortung gezogen, sondern Adam. Dadurch, dass
sich Eva hat verführen lassen und Adam verführt hat,
hat sie über Adam geherrscht und so die Gott
gewollte Geschlechterord-nung umgestoßen, und Adam
hat seine im Paradies schon vorgegebene
Verantwortung für Eva nicht wahrgenommen.
Zusammenfassend lässt sich also über die beiden
ersten Argumente des Apostels in 1. Kor 11,2-16 zum
Verhältnis von Mann und Frau sagen: Sowohl die
Aussage über die Unterschie-de der Berufung als auch
über die Gleichwertigkeit der Geschlechter sind
theologischer Art und bilden keinen Widerspruch,
weil beide in Gott begründet sind: „….aber dies
alles aus Gott“ ( V 12c ). - Ferner wird nun auch
erkennbar, dass die „schweigsame Tradition“ der
Väter die richtige Orientierung hatte, und bei
genauem Hinhören/Hinsehen in der paulini-schen
Theologie ein klares Zeugnis vorliegt über die
Berufung der Frau im Alten und Neuen Bund.
4. Der pragmatische Teil der Argumentation
Nach
der theologischen Unterweisung durch den Apostel mit
ihrem hieratischen Stil in den Versen 2-12 folgt nun
in den Versen 13-16 eine ganz andere Art der Diktion.
Schon die die-sen Unterabschnitt einleitende
Kompetenzerklärung für die Korinther zeigt dies an.
Ermun-ternd ruft er ihnen zu: „Urteilt ( doch ) für
euch selbst ...!“, und spricht sie auf ihr
kulturelles Wissen um zeitgenössische
Schicklichkeit und herrschende griechische
Naturphilosophie an. Danach sollen sie urteilen. Der
christliche Glaube lässt von dieser Kultur ja
bestehen, was in Übereinstimmung mit seinen Inhalten
steht. Dieser heiter erörternde Ton zeigt, dass die
hier geltenden Maßstäbe jenseits von aller
Verbindlichkeit liegen.
Zum
Schluss folgt als letztes Argument der Hinweis auf
die Gewohnheit, d.h. die allgemeine Ordnung in den
Gemeinden. Für den Fall also, dass einer durch die
vorhergehenden Argu-mente immer noch nicht überzeugt
werden konnte, verwendet Paulus den formalen
Hinweis auf die Ordnung in den Gemeinden ( sunhqeia
). Somit stehen sich in 1. Kor 11,2-16 zwei Termini
gegenüber, die jeder für sich auf einer
verschiedenen Sprach- und damit Verbindlich-keitsebene
liegen.. Es sind dies „Tradition“ (
paradosiV ) am Anfang des Abschnitts für die Verse
2 bis 12 und „Gewohnheit“ ( sunhqeia )
ganz am Ende des Abschnitts für die Verse 13 bis 16.
Fazit: Paulus zeigt hier sehr deutlich ein Gespür
für das, was zeitbedingt ist und was nicht. In den
Abhandlungen und Auslegungen dieses Abschnittes hat
dieser Stilwechsel kaum eine Beachtung gefunden. Er
ist aber ein Hinweis auf die zwei zum Verständnis
der Un-terabschnitte wichtigen Schlüsselwörter: und
die daraus jeweils resultierenden Verbindlich-keit,
bzw. Unverbindlichkeit.
Gliederung von 1. Kor 11,2-16
Theologische Argumentation 11, 2 – 12
1.0
Kompetenzerklärung 11, 2 –3a
1.1 . Lob eines Übergeordneten 11, 2a
1.2 . Erinnerung an die Lehrinhalte 11, 2a
1.3 . Erinnerung an das Einhalten der
Überlieferungen 11, 2b
1.4. Schärfste Unterweisungsformel (Hapaxlegomenen
) 11,.3b
2.0
Heilsordnung des Neuen Bundes
2.1. Unterschied der Geschlechter durch die „Haupt“-Formel
11,3b
2.2 Gleichwertigkeit der Geschlechter bei Gebet
und Prophetie 11,.4.- 5
3.0
Schöpfungsordnung 11, 7.-12
3.1 Unterschied der Geschlechter 11, 7 –10
- der Mann als Ebenbild Gottes ( Gn 1,27 )
- der Mann als der Ersterschaffene ( Gn 2,22 )
- die Frau dem Mann zugeordnet ( Gn2,18 )
3.2 Gleichwertigkeit der Geschlechter 11,11 – 12
Pragmatische Argumentation
11,13 – 16
4.1.
Kompetenzerklärung an die Korinther 11,13
4.1. Schicklichkeitsargument 11,13
4.2 Naturphilosophisches Argument 1,14 - 15
4.3 Organisatorisches Argument der Gemeindeordnung
11,16
[1]
Orthodoxes Forum 2002/2,175f.
[2]
D. Rudolf Knopf, Die Apostolischen Väter,
Tübingen 1920, 1. Clem. 1,3
[3]
Tertullian, De virginibus velandis 9,2f CCL
2,1219; vgl. M. Hauke 402
[4]
Irenaeus, Adversus haereses, BKV Bd 1 1,13
[5]
Origenes Jesajahomilien: hom. In Is 6,3 GCS
33,273,9-19; vgl.M. Hauke,406
[6]
Hippolyt, Tradition Apostolica 10; vgl. M.
Hauke 407
[7]
Didaskalia, II 9,1-2: Achelis, H/Fleming (Hg.)
Die syrische Didaskalia ( TU, Neue Folge X,2
) Leipzig 1904; vgl. M. Hauke 407 ff.
[8]
Epiphanius, Adversus haerese, 78,13; PG
42,736; vgl. M. Hauke 411
[9]
ders., Adversus haerese, 79,2; PG 42,744;
vgl. M. Hauke 412
[11]
Johannes Chrysostomus, DE sacerdotio 2,2: PG
48,633; vgl. M. Hauke, 415
[12]
Les Constitutiones Apostoliques, Sources
Chretiennes 329, Paris, 1986, Tome III,9,4
[13]
:“ Encore moins nous est-il demandé de
suivre littéralement des prescriptions ……qui
étaient l’expression de la Parole de Dieu
pour un milieu n’est plus le notre“ und “Les
raisons ...d’ordre historique, culturel,
paraissent aujourd’hui, en grande partie,
depassées”. Elisabeth Behr-Sigel, Le
ministère de la femme dans l’Eglise, Paris
1987,80; 97 f Valerie A. Karras, Orthodox
Theologies of Women and Ordained Ministry,
In Thinking Through Faith
ed. by Aristotle Papanikolaou
and E. H. Prodromou, New York, 2008, 147
[14]
“There exits as yet no pan-Orthidox
statement, possessing definitve Ecumenical
authority” Kallistos Ware, Man, Woman and
Priesthood of Christ, St Vladimir’s Sem.
Press 1999, 7
[15]
Orthodoxes Forum 1991/1
[16]
Orthoxes Forum 2002/2, 178
[17]
Orthodoxes Forum 1989/3, 93ff.
[20]
Theodor Nikolaou, Die Frauenordinationnin
orthodoxer Sicht, Orthoxes Forum 2002/2, 181
[23]
Martina Böhm erkennt zwar richtig, dass es
sich bei der „Haupt-Struktur“ um eine
„Bekenntnisformulie-rung“ handelt ( S 216 ),
degradiert die Stelle jedoch schon gleich
darauf zur „These“ ( S 217 ) ,da der Inhalt
dieser Aussage „von unserem
Schriftverständnis und unseren
Auslegungsprinzipien nahezu 2000 Jahre
entfernt“ ( S 220 ) sei. - Es geht in 1.
Kor 11,3 jedoch nicht um historisch bedingte
Privatmeinung, sondern um zeitlos Gültiges,
das der Apostel und Lehrer Paulus als
„paradoseis“, ( 1. Kor 11,2 ) d.h. als
Tradition des heilsnotwendigen Glaubens
kennzeichnet ( wie das Bekenntnis zum
leibhaft Auferstandenen und zu seiner
Gegenwart in den eucharistischen Gaben 1
Kor 15,3-4 und 11,23 ). Man muss sich
wundern, mit welcher Freizügigkeit dieser
inhaltsschwere Begriff des Neuen Testaments
uminterpretiert wird. Martina Böhm, 1.
Kor11,2-16 Beobachtungen zur paulinischen
Schriftkonzeption, Zeitschrift für die
Neutesta-mentliche Wissenschaft 97/2006,
Heft 2, 207ff.
[24]
Gerhard Dautzenberg, Zur Stellung der Frauen
in der korinthischen Gemeinde, in: Die Frau
im Urchristentum, hgg. Von G.
Dautzenberg, Freiburg 1963, 209f.
[25]
E. Behr-Siegel, 75 scheitert an der
Interpretation von 1. Kor11,2-16, wenn sie
sagt: „…c’est un texte obscur, difficile à
interpreter …… il s’agit du respect des
convenance dans le milieu donné“
Valerie Karras, 119f, 126
geht in ihrem Aufsatz wiederholt auf die
Begriffe „Tradition“ und „traditions“ ein,
ohne diesen Begriff in 1. Kor 11,3 zu
berücksichtigen.
Kallistos Ware,35f. erwähnt
die „Haupt“-Formel im Zusammenhang mit Eph
5,23-25, ohne auf die eindeutige
stilistische Prägung des Begriffs einzugehen,
um ihn einschränkend zu interpretieren: „ ..
this text does certain-ly posit a taxis
or ‚hierarchy’ within the man-woman
relationship of marriage …“ – Der
Zusammenhang ist in 1. Kor 11 nicht die Ehe,
sondern die Liturgie und die Rolle der Frau
in ihr! Hier soll die Tradition der Kirche
gelten ganz im Sinne von Ware, 24: „Since
faithfulness to Holy Tradition is a basic
principle in the Orthodox understanding of
doctrine … not merely a historical but a
theological argument”.
[28]
K. Ware, 25 : “ .. the Church in excluding
them ( women ) from the priesthood was
simply reflecting the outllook of the (that)
time.”
[29]
Wenn G. Dautzenberg die „Haupt“-Struktur in
1. Kor 11,3 zu einer „jüdisch-hellenistischen
Ordnungsvorstellung abwertet,“ hat er gegen
die äußere Stilmittel den theologischen
Inhalt verkannt.
[30]
Konstantin Nikolakopoulos, Neutestamentliche
Zeugnisse über die Stellung der Frau in der
apostolischen Kirche, in: Orthodoxes Forum
2002/2, 163
[34]
Baumert Norbert, Antifeminismus bei Paulus,
1968, 80
[35]
Energien, das ungeschaffene Gnadenwirken
Gottes in der Schöpfung – orthodoxer
Terminus
[36]
Gerhard Delling, Paulus Stellung zu Frau und
Ehe, Stuttgart 1931, 108
[38]
Formal bildet das „alles“ in Vers 2 und Vers
12 die Klammer um die theologischen Aussagen.
[39]
Werner Neuer, Mann und Frau in christlicher
Sicht, Gießen 1983, 3. Aufl.,107